Der Grundsatz „Effektiver Opposition“ des Grundgesetzes in der Praxis der Kommunalen Demokratie

Gelsenkirchen. In der Februar-Ausgabe der isso. hat die Redaktion meinen Leserbrief „Effektive Opposition“ (S. 23) abgedruckt. Das freut mich.

Zur weiteren Erläuterung verweise ich auf Folgendes:

Gelsenkirchen/Karlsruhe. Mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Minderheitenrechten einer Opposition als wesentlicher Teil der Verwirklichung von Demokratie, aus den Jahren 2002 und 2016, wurde klar, dass das Demokratieprinzip für die Minderheitenrechte der Opposition bedeutsam ist.

Wenn der 2. Senat in seiner Mai-Entscheidung von 2016 – BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03. Mai 2016, – 2 BvE 4/14 – Rn. (1-139), postuliert:

„1. Das Grundgesetz enthält einen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition.“,

so hat das dementsprechende Auswirkungen.

Für die kommunale Ebene habe ich diese Auswirkungen in einem Beitrag für die Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsblätter, Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung, (NWVBl.), mit dem Titel „Minderheitenrechte der Opposition beim Aufklärungsausschuss nach § 55 Abs. 3 GO NRW“ heruntergebrochen.

Der Artikel ist nach Genehmigung des Verlages ihn veröffentlichen zu dürfen nunmehr in Gänze hier: NWVBl_2018-08 lesbar.

„Ein Schleier liegt über der Stadt“

von Joachim Sombetzki

Gelsenkirchen/Düsseldorf/Köln. Im Monat Mai 2021 ist Deutschlands jüngste Polizeipräsidentin Britta Zur mehrfach in den Medien präsent. Zum einen im Karlsruher Verfassungsgerichtsforum unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts im Gebäude desselben. In den anderen beiden Fällen via Internet bei der Präsentation der eigenen neuen Fahrradstreife in Gelsenkirchen, und bei einem Urban-Talk der Fa. Stroer1 zum Thema Sicherheit. Und dann sind da noch die Vorkommnisse um den Heinrich-König-Platz (HKP) und das neue Quartiersprojekt zur Integration in Ückendorf. Jede Menge Stoff also, um sich ein Bild von der Neuen zu machen. Angesichts der Freibad-Probleme und der weiterhin vakanten Stelle des Polizeipräsidenten in Gelsenkirchen, lohnt sich ein Blick zurück auf die Arbeit der nach Düsseldorf als Beigeordnete für Sport und Bürgerservice weggezogenen ehemaligen PP’in Britta Zur.

Zentrale Aussage im Ströer-Chat

Im Chatroom des Medienunternehmens Ströer Media Deutschland GmbH zum Thema „Sicherheit: Bedeutsamkeit in unsicheren Zeiten“ hat sich Polizeipräsidentin (PP’in) Britta Zur in der Talkrunde auch zu und über ihren Amtssitz Gelsenkirchen geäußert. Die Überschrift dieses Artikels ist ein Ergebnis eines Teils ihrer Äußerungen im Chat, die angesichts aktueller Ereignisse in Gelsenkirchen sicherlich neugierig machen. Wenn der örtliche Stadtraum erklärtermaßen mit dem Aspekt von angefeindeter Weiblichkeit u.a. mit der Androhung von Vergewaltigung zu verorten ist, ist die Expertise einer weiblichen Führungskraft wie die der Polizeipräsidentin sicher besonders gefragt. Schauen wir, ob sie sich diesbezüglich geäußert hat oder nicht.

Folgende Eckdaten aus dem Verlauf des Talks mit Britta Zur (oben links im Bildschirmfoto) ergeben einen Eindruck über das Verhältnis der neuen Polizeipräsidentin zu ihrer neuen Stadt:

Stichwort: Köln

Britta Zur erwähnt ihre Heimatstadt Köln. Der Moderator (oben rechts im Bild) ist begeistert. Er ist auch Kölner.

Stichwort: Düsseldorf

Britta Zur stellt richtig, dass sie nicht in Köln wohnt. Sie wohne auch nicht in Gelsenkirchen. Sie wohne in Düsseldorf. Der Moderator ist begeistert. Er wohne auch in Düsseldorf.

Stichwort: Gelsenkirchen

In der Runde, die über Sicherheit spricht, wird sie gefragt: „Was man so hört, wird Gelsenkirchen doch sicher so einige Probleme diesbezüglich haben?“ – „Nein, nein“, meint Britta Zur. „Gelsenkirchen ist nur lebendig, wenn Schalke spielt, und dann auch nur, wenn sie gut spielen, was leider derzeit nicht der Fall ist. Ansonsten liegt ein Schleier über der Stadt.“ – Die Runde ist sichtlich überrascht.

Stichwort: Ruhrgebiet

In der Talkrunde gibt es zum Thema Ruhrgebiet weiteres Nachfragen. „Ob es die Kumpelmentalität in Gelsenkirchen im Herzen des Ruhrgebiets noch gibt.“ – Britta Zur kann das nicht hundertprozentig beantworten, da sie ja in Düsseldorf lebt. Sie gibt zum Besten, dass ihrer Erfahrung nach die Gelsenkirchener ihr Herz auf der Zunge tragen.Im Urban-Talk findet sich ausdrücklich kein Bezug zum Thema Kriminalität und Frau.

Karlsruher Verfassungsgespräch 2021

Das Gespräch in Karlsruhe fand am 22. Mai 2021 statt.2

Dass Britta Zur zuvor in Düsseldorf als Staatsanwältin gearbeitet hat, bevor sie in Gelsenkirchen Polizeipräsidentin wurde, kann sie nicht unerwähnt lassen, weil sie der Runde im Verfassungsgericht über ihre Arbeit in Düsseldorf in puncto Gewalt gegen Beamte – nicht nur Polizeibeamte – berichtet. Beim Zuhören entsteht der Eindruck, dass ihr die Arbeit als Staatsanwältin sehr viel gegeben hat. Sie lebt das immer noch. Ihre Gesprächspartner hören ihr interessiert zu. Sie bezeugen die Wichtigkeit des Themas Gewalt gegen Beamte in diesen Zeiten. Frau Zur berichtet der Runde, sie bekäme als Polizeipräsidentin jede Woche einen Stapel Anzeigen, wo Gewalt gegen ihre Mitarbeiter stattgefunden habe. Über die Hintergründe spricht in der Runde der Experten vor Ort in Karlsruhe niemand. Es wird nicht analysiert. Es wird verurteilt. „Das gehe so nicht. Da muss man hart durchgreifen.“ PP’in Zur hat sich mit Innenminister Joachim Herrmann (Bayern) bereits beim Urban Talk bekannt gemacht. Man kennt sich noch von daher und bestärkt sich gegenseitig. Man ist sich einig.

Der zugeschaltete Professor Behr aus Hamburg von der Akademie der Polizei findet die Gespräche der beiden Innenminister mit der Polizeipräsidentin und dem Moderator „unterkomplex“, wie er sagt. Man gebe zu erkennen, dass man an einer Analyse der tieferliegenden Strukturen und Ursachen der bestehenden Polizei- und Ordnungssysteme nicht interessiert sei. Die Innen-Politik ist sich mit der Polizei-Praxis einig. Die polizeiliche Theorie mit Ansätzen zur Veränderung und Verbesserung der Lage – z.B. die Rolle der männlichen Widerstandsbeamten verbunden mit dem Fakt, das es keine weiblichen Widerstandsbeamten gibt, was Prof. Behr in einem Dossier bearbeitet hat – bleibt außen vor. Der Moderator lässt ihn teilweise nicht ausreden. Der Professor blickt erstaunt aus der Röhre. Der aktuelle Tätigkeitsbericht des Polizeibeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07. Juni 2021 macht auf seine Weise die Bedenken deutlich, die ein Sichbedeckthalten von Führung als schleierhaft erscheinen lassen.

Die Arbeit der Polizeipräsidentin nach ihrer Amtsübernahme

Britta Zur hat das Amt im Jahr 2019 übernommen. Zeit sich mit einer Bilanz ihrer Arbeit zu beschäftigen. Bei Amtsübernahme geschieht dies in der Regel nach 100 Tagen. Das haben wir wegen Corona verpasst. Nicht dran gedacht. Also holen wir es jetzt nach. Anlass dazu gibt es erklärtermaßen genug.

Über die Polizeipräsidentin und ihre Arbeit finde ich eine ungewöhnliche Meinungsäußerung einer FB-Userin im Zusammenhang mit der Vorstellung der neuen Fahrradstaffel in GE, die aktuell seitens einer Bürgerin einen Eindruck vermittelt, die offenbar etwas genauer hingeschaut hat, was die Polizeipräsidentin so tut:

Und so, wie sie das öffentlich zur Schau stellt, legt sie auch Wert drauf, Staatsanwältin, Polizeipräsidentin UND Tussi gleichzeitig zu sein. Allerdings bin ich mir noch nicht sicher, wenn sie äußerlich schon so demonstrativ aus dem Rahmen fällt, das gleichzeitig mit guter Leistung im Job auch tut. . Das wäre ja sensationell…“.

Die Darstellung, wonach PP’in Zur ihre Rolle als Staatsanwältin noch lebt, wurde oben dargelegt. Da die trifft die Bürgerin mit ihrem Facebook-Kommentar einen Punkt.

Dem Aspekt einer gehaltvollen Führungsarbeit von Frau Zur, den die Bürgerin anspricht, können wir in einem Best-Practice-Vergleich mit einer ihrer mittlerweile zahlreichen Kolleginnen im Amt, nachvollziehen.

Anlässlich ihrer Amtseinführung zur Polizeipräsidentin hat sich Frau Gwendolin von der Osten aus Göttingen am 21. Mai 2021 durchaus (system-)kritisch geäußert, als sie sagte „Polizei müsse sich öffnen“.

„Kämpferisch ist die Präsidentin, die, seit sie 2003 bei der Polizei begann, für die Gleichstellung, für mehr Frauen in Führungspositionen kämpft und selbstkritisch anmerkt: Polizei müsse sich hinterfragen.

„Sie darf nicht nur weiß und männlich sein. Wir müssen uns öffnen, auf allen Ebenen. Wir brauchen Vorbilder und Vielfalt. Herr (Innenminister von Niedersachsen) Pistorius (SPD), dabei bleibe ich – und habe ihre Unterstützung.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl: Der Minister nickt und lächelt.

Und was blieb noch haften: zwei Schilder, die der Holzmindener Kollege Kinzel in die Kamera hielt: „Mut“ und „Neue Wege“. Und, dass die Präsidentin keine Uniform trug.“

Ja, keine Uniform. Das ist auch das Outfit der örtlichen Polizeipräsidentin Britta Zur. Zu diesem von der Bürgerin angesprochenen Aspekt der „Tussi“, die sie auch sei, gleich unten mehr. Eine vergleichbar kämpferische Haltung zur Veränderung von polizeilichen Strukturen wie bei Frau von der Osten sucht man bei Frau Zur in dieser Offenheit allerdings vergeblich. Das könnte daran liegen, das Frau von der Osten an der polizeilichen Expertise zum Thema „Frauen in Spitzenpositionen der Polizei“ in: „Das Praxishandbuch – Handlungsmöglichkeiten zur Verstetigung und Integration von Gleichstellungsansätzen in der männerdominierten Polizei“ mitgearbeitet hat. Es könnte somit am Bundesland liegen, wie der Bezug zu Minister Pistorius eröffnet; und weil sie trotz dieser Mitwirkung Polizeipräsidentin geworden ist. Der aktuelle Tätigkeitsbericht des NRW-Polizeibeauftragten geht zwar auch in diese Richtung. Aber ist halt nicht der zuständige Innenminister Reul selbst, der sich das zu eigen machte, was der NRW-Polizeibeauftragte an neuer Öffnung von polizeilichem Führungspersonal erwartet. Das ist noch offen.

Jeans statt Uniform

Frau Zur macht – neben ihrer erklärtermaßen unionsfähigen politischen Zurückhaltung in Bezug auf eine neue durchlässige Polizeiarbeit – mit ihren Klamotten auf sich aufmerksam. Darin bezeichnet die Bürgerin auf FB sie als „Tussi“. Einem ehemaligen Wortführer der Gelsenkirchener SPD im Rathaus gefiel die zerrissene Jeans der Polizeipräsidentin auf dem Foto zur Werbekampagne der Fahrradstaffel „ERNA 41“ nicht sonderlich. Er postet dazu auf Facebook:

K.H.: Die Einrichtung solcher Fahrradstaffeln find ich gut. Aber mich treibt eine Frage um: Dürfen Streifenpolizistinnen im Dienst auch eine solche Hose tragen wie ihre Chefin im Dienst? – Auf die Antwort von D.M. schreibt er weiter: „ich denke auch, dass sie Ihre Garderobe bewusst zusammenstellt. Aber deshalb treibt mich ja die Frage um.“ 3

Das Thema „Jeans statt Uniform“ gehört mithin zu den Alltagsgesprächsthemen, das konservative Menschen in der Stadt Gelsenkirchen umtreibt. Die Polizeiakademie hat in Person von Prof. Behr jedochlängst einen normalen Umgang mit Frauen, die es in der Polizei seit dem Jahr 1979 gibt, festgestellt:

„Nach ca. 30 Jahren Frauen in der Polizei und einem Anteil im Personalbestand von ca. 25 %, hat sich die Gender-Debatte etwas versachlicht und es zeigen sich erste Normalisierungstendenzen im Geschlechterverhältnis der Polizei. Insofern beschränke ich mich in diesem Beitrag auf den innerpolizeilichen Umgang mit ethnischer Differenz bzw. Fremdheit.“

Schaut man sich die gestellte Frage des ehemaligen SPD-Arbeiterparteiwortführers im Gelsenkirchener Rathaus auf Facebook genauer an, kann man feststellen, dass der erste Teil seiner Äußerung darauf abstellt, die Klamottenfrage auf das Niveau einer Gerechtigkeitsfrage herunter zu brechen. Nach dem Motto: Gleiches Recht für alle Frauen in der Polizei, impliziert er, eine Gleichstellung zwischen Polizeipräsidentin und Polizeivollzugsbeamtinnen. Frauen sind Frauen. Da gibt es keine Unterschiede. Auch nicht bei der Polizei. Das ist vom Ansatz her gegenüber dem Beamtentum respektlos. Die Polizeipräsidentin ist eine politische Führungskraft. Das bedingt Unterschiede.

Damit wird klar, die Kritik des alten SPD-Fuchses richtet sich gegen die junge Polizeipräsidentin Britta Zur, die er mit ihrer Flickenjeans dem Amt des Polizeipräsidenten gegenüber als respektlos darstellt. Seine Kritik richtet sich von vornherein auf die inkriminierte Flicken-Jeans, wenn er feststellt, dass sich die Polizeipräsidentin bewusst kleidet und genau das aus seiner Sicht bedenklich sei. Auf meinen Einwand im FB-Forum, es handele sich möglicherweise um eine Designerjeans von D&G im Wert von 895,- Euro, die sich die Polizeipräsidentin von ihrem Gehalt in einer Stadt mit mehr als 250.000 Einwohnern ja wohl wird leisten können, reagiert der konservative Kritiker und verstummt.

Polizeipräsidentinnen in NRW

Auf Nachfrage teilt das Innenministerium mit, dass es in folgenden Städten NRWs weibliche Chefs gibt: Bochum, Krefeld, Bielefeld, Gelsenkirchen, Recklinghausen. Diese haben in NRW, wie ihre männlichen Kollegen, Anspruch auf B2 bis B 5 (ggfs. nach Einwohnerzahl oder Anzahl der Mitarbeiter). In Gelsenkirchen sind es laut PP’in Britta Zur: 1.600 Mitarbeiter. (Davon abweichende Zahlen bis runter zu 800 finden sich in Stellenausschreibungen und im Netz). Den Anspruch auf eine Mütze laut Dienstkleidungsverordnung mit goldenem Eichenlaub oder goldenen Sternen, erachtet das Ministerium als nicht so bedeutsam für politische Führungskräfte wie es Polizeipräsidenten sind. Das Tragen von Dienstkleidung sei für diese nicht zwingend vorgeschrieben.

Ein Bild einer Polizeipräsidentin in Uniform habe ich aus NRW nicht gefunden. Polizeipräsidentin Liliane Matthes aus Bayern/Unterfranken (im Bild oben) trug zu ihrer Entlassung aus dem Amt nach 40 Jahren – wie im Bild des Staatsministeriums des Inneren Bayern zu sehen ist – ihre Dienstuniform. Das ist eine Seltenheit. Also die Uniform und das Dienstalter. Bedenkt man, dass es erst seit gut vierzig Jahren Frauen im Polizeidienst gibt. Eine Frau der ersten Stunde also. Da ist die Uniform noch grün.

Frau Zur trägt – offiziell für die Website auf gelsenkirchen.polizei.nrw GE Themenseite Behördenleitung – etwas schlichtes Schwarzes und etwas Dunkles mit Farbe.

Und inhaltlich? Die aktuellen Ereignisse rund um den Heinrich-König-Platz (HKP) mit dem Aspekt von angedrohten Straftaten gegen Frauen geben zur Sorge Anlass. Das Thema hat niemand der männlichen Stadtverordneten in der Sitzung des Ordnungsausschusses angesprochen. Einzig Frau Schürmann (FDP) fragte in diese Richtung: „Wie bekommt man die gefühlte Unsicherheit aus dem Raum heraus?“. Ihre Frage wurde von niemandem der geladenen Verantwortlichen von Polizei, Kommunalem Ordnungsdienst (KOD) oder Politik aufgegriffen. Wie man im aktuellen Tätigkeitsbericht des Polizeibeauftragten (NRW), der im Juni dem Landtag vorgelegt wurde, nachlesen kann, ist Vertrauen die Währung mit der auch die Polizeiführung handeln muss, um die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Gefühl von Misstrauen und Unsicherheit adäquat abzuholen.

Die Polizei hat noch keine Lehren zum hinreichenden Schutz von Frauen gezogen

Wenn Forscher Anfang des Jahres4 mitteilen, dass die Lehren aus der berüchtigten Silvesternacht in Köln im Jahr 2016/17 „längst nicht so gezogen sind, wie das nötig wäre„, so wirkt sich das auf die Bearbeitung des aktuellen Geschehens in Gelsenkirchen natürlich negativ aus. Das Unterdrücken und Schweigen zu wichtiger wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung korreliert mit dem von der Stadtverordneten Anne Schürmann beschriebenen beklemmenden Gefühl der Unsicherheit im städtischen Raum der Innenstadt. Und in 2023 erneut massiv im Freibad.

„Jedenfalls werde die Forschungsarbeit an dem Thema nicht weitergeführt, so Gewaltforscher Zick. „Nicht nur die Schätze aus dem Abschlussbericht des Landtags seien nicht gehoben. Aus den Daten könne man viel lernen für Gewaltprävention zum Schutz von Betroffenen und rechtzeitiges Gegensteuern, sagt Zick. Zum Beispiel wie man öffentlichen Raum so gestaltet, dass er nicht Gewalt und Straflosigkeit noch begünstigt.“ „Vor allem die Kommunen brauchten Konfliktstrategien und Beratung. Bei allem, was man noch lernen könne“, sagt Kriminalpolizist Zimmermann.

Wenn Stadtsprecher Schulmann am 2. Juni und SPD-Stadtverordneter Taner Ünalgan in der Sitzung des Ordnungsausschusses am 15. Juni herausstellen: „Auch dem örtlichen Präventionsrat könnten Beobachtungen und Entwicklungen mitgeteilt werden.“, so ist diese Strategie der Stadt bemerkenswert. Denn der Präventionsrat-City hat zuletzt im September 2019 getagt. Ein Termin für dieses Jahr steht noch aus. Die Aufgaben des Präventionsrats der Kommunikation zwischen Bürger und Stadt, sind nicht dazu angetan Probleme zu lösen, sondern lediglich anzusprechen. Bliebe zu fragen, wieso sich die Polizeipräsidentin nicht offen zu dem Thema äußert, wo es doch hier um die Superwährung „Vertrauen“ geht. Weiß sie nicht um die Bedeutung des Vertrauens? Als Polizeipräsidentin steht sie zusammen mit der Oberbürgermeisterin zum Leitungs- und Führungsstab Präventionsrat an. Zu den Vorstellungen aus der Verwaltung hört und liest man von ihr nichts. Das ist unterkomplex, wie Prof. Behr sagen würde.

Die Lageeinschätzung zum HKP

Dass die Polizeipräsidentin Britta Zur über ihre Pressesprecherin zu einem gewissen Zeitpunkt mitteilen lässt, es liege am HKP „keine allgemeine Problemlage“ anlässlich der mitgeteilten Tatsachen vor, die ein besonderes Einschreiten erkennen lasse, so fühlt sich das an wie ein Tun durch Unterlassen, das – wie die Sylvesternacht in Köln gezeigt hat – das Handeln der Jugendlichen noch bestärkt und fördert. Die erwähnten Versäumnisse beim Innenministerium, sowie der Ordnungsmacht aus KOD und Polizei vor Ort machen es möglich, dass die Meldung eine Woche später in der WAZ5 wieder lautet: „Angepöbelt, bedrängt, bestohlen. Nachdem ein Gelsenkirchener Buchhändler wegen der Situation in der City Alarm schlug, geht der Ärger weiter.“ Am 12. Juni fuhr erneut ein Streifenwagen bei Kottmann am HKP vor und drei Beamte gingen in den Laden. Ein Freund wusste zu berichten, es habe erneut Ärger gegeben. Am 15. Juni tagt der Ordnungsausschuss.

Best Practice – Ein Blick nach Wien

Die Aufgabe der Polizei bezieht sich vor allem darauf, diestörenden Auswirkungen für andere Bevölkerungsteile in Grenzen zu halten und ein Ausuferndes Problems zu verhindern, heißt es in einer wissenschaftlichen Arbeit zur Bekämpfung von Gruppenbildung an U-Bahn-Stationen, wie sie am Heinrich-König-Platz regelmäßig ab 17 Uhr zu sehen ist, wie die Polizei im Ordnungsausschuss mitteilt. Nach Erkenntnissen der Bundespolizeidirektion Wien ist ein Grund für Gruppenbildung oft „intensiver Drogenhandel, der bis zu diesem Zeitpunkt am Schwedenplatz an der Oberfläche (d.h. nicht im U-Bahnbereich) stattgefunden hat und es aus diesem Grund häufig zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Daher waren häufig Delikte wie Körperverletzung durch Raufhandel oder Raubüberfälle zu verzeichnen.“ Dem Problem wurde seitens der Bundespolizeidirektion Wien vermittels einer Videoüberwachung erfolgreich begegnet. „Ganz und gar nicht dazu passen Diebstahl, Drogen und Beleidigungen, wie sie der Buchhändler aktuell beschreibt.“, heißt in der WAZ im Kästen: CDU sieht dringend Handlungsbedarf. Im Ordnungsausschuss wird das Thema Drogen nicht erwähnt.

Mein Kommentar

Es ist nicht zu fassen, was sich an Versäumnissen auftut. Ob Professor Behr von der Akademie der Polizei in Hamburg, der Gewaltforscher Zink in Köln oder aktuell der Polizeibeauftragte in seinem
Tätigkeitsbericht an den NRW-Landtag. Landauf, landab bemängeln Experten die nicht hinreichende Aufarbeitung systematischer Lücken in den Grundlagen der Polizeiarbeit, fehlende Transparenz und fehlendes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Es liegt ein Schleier über der Stadt – und ihrer Polizeiarbeit. Wenn in Gelsenkirchen festgestellt wird, dass am HKP keine allgemeine Problemlage vorliege, so ist das angesichts der beiden Themen „Verunsicherung der Bürgerinnen“ und „Drogen“ eine nicht nachvollziehbare polizeiliche Sichtweise. Tatsächlich liegt eine besondere Problemlage vor: Von den „Männerwelten“ sind aktuell besonders Frauen betroffen, die sich in der Stadt nicht mit gutem Gefühl frei bewegen können. Die Artikulation des Gefühls von Unsicherheit in der City, wie von der Stadtverordneten Schürrmann, verhallt im Rathaus; sie wird ignoriert. Und das, obwohl die Eingriffe in die Lebenswelt der Frauen in der City frappierend sind. Dass Frauen beleidigt, angespuckt und mit Vergewaltigung bedroht werden, muss Politik und die Polizeiführung ernsthaft beschäftigen. Eine moderne, emanzipierte Polizei – zumal unter weiblicher Führung – darf nicht weggucken und so tun, als wäre nichts.

Im Übrigen wäre zu hinterfragen, ob die Ansammlungen an der U-Bahnstation HKP – wegen der üblicherweise bestehenden günstigen Anfahrt und Fluchtmöglichkeit – zum Zwecke des Drogenhandels erfolgen, wie das im Beispiel vom Schwedenplatz in Wien vorlag. Die Polizei muss mehr Offenheit zeigen über den Tellerrand hinaus zu schauen, sich für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, und Gefahren, die von der Gruppe ausgehen, abzuwenden. Wenn sie das auch nach der Besprechung im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung am 15.06. im Rathaus nicht schafft, muss sich vielleicht – wie in Wien – das LKA oder die Bundespolizei darum kümmern. Und tatsächlich berichtet der Vertreter der Polizei, Herr Kluth, dem Ordnungsausschuss am 15. Juni, „dass gestern eine Hundertschaft im Haus“ war, die man bei der Gelegenheit mal zur Kontrolle zum HKP schickte, wo sie um 19 Uhr eintrafen. Das hat sicher Eindruck gemacht. Die Problemverdrängung, die damit einhergeht, habe man jedoch grundsätzlich auch im Blick. Somit dürfte sich das Problem zunächst nicht gelöst haben, sondern wurde verlagert.

Die Aufgabenstellung an alle Verantwortlichen bleibt also bestehen, sich erklärtermaßen um eine geordnete Abwicklung der Beschwerdelage zu kümmern. Es kann nicht sein, dass der Eindruck entsteht, die Polizei in Gelsenkirchen würde bei Diebstahlsanzeigen von Ladenbesitzern in der Innenstadt nicht oder nicht zeitnah tätig werden, wie das dem Präventionsrat-City vonseiten der Polizei aus Recklinghausen (!) vor einigen Jahren mitgeteilt wurde. Und sich der Polizeivertreter, als er sich damals zum Thema in der Präventionsratssitzung dazu äußern sollte, einfach nicht erschienen ist, um sich mit einem anderen wichtigen Termin entschuldigen zu lassen. Wenn jetzt der Eindruck entstanden ist, dass die Polizeiführung aus diesem Vorfall nicht gelernt hat, und auch ansonsten erklärtermaßen – mit Blick auf die Auswertung der Kölner Vorfälle in Bezug auf die Auswertung des Untersuchungsberichts des Landtags einen reformunwilligen Eindruck hinterlässt, was Prof. Behr von der Polizeiakademie Hamburg vor laufender Kamera im Gespräch u.a. mit Polizeipräsidentin Zur in Karlsruhe als „unterkomplex“ bezeichnet, so ist es genau dies, was in der Öffentlichkeit als Signal ankommt und so nicht bleiben kann.

Dabei wäre es zur Beseitigung von Missverständnissen hilfreich, wenn alle Beteiligten – also auch die Stadtverordneten – sich fachlich mehr mit den Strukturen ihres Aufgabenbereichs befassen, sich die Vorgaben des Ordnungsbehördengesetzes, der örtlichen Ordnungssatzung (ObVO GE) und des Runderlassess der drei Ministerien vom 19. November 2019 zur „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ zu Gemüte führen, und als Grundlage ihrer Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit kommunizieren. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, der leider entstanden ist, dass sich bei der Stadt im Falle wiederholter Gruppenbildung an öffentlichen Orten und Anpöbeln sich niemand zuständig fühlt, sich sodann so verhält, als gäbe es kein Konzept, und dann – wenn es eigentlich zu spät ist – mit drohender Brachialgewalt (Hundertschaft) der Problemlösung nähert. Um als Sahnehäubchen auf dem ganzen Tohuwabohu, das entschlossene Handeln nicht so zu kommunizieren, wie man das von offener und transparenter Polizeiarbeit und einem gemeinsamen Krisenmanagement erwarten darf. Stattdessen die Gründung eines Arbeitskreises als Lösung medial in den Raum gestellt sieht, was die Stadtgesellschaft zurecht mit Entrüstung aufnimmt. Und eben nicht den wünschenswerten nachhaltigen und vertrauensbildenden Eindruck zuverlässiger Zusammenarbeit zum Zwecke der Förderung des städtischen Gemeinwohls macht, wie es im Gemeinsamen Runderlass der Ministerien angelegt ist. Hier braucht es entgegen der Ansicht eines Landtagsabgeordneten in seiner Kleinen Anfrage nicht allein mehr Quantität, sondern mehr Qualität in der Polizeiarbeit vor Ort.

Speziell Polizeipräsidentin Britta Zur hat mit ihrer „Gelsenkirchener Schleierrede“ den Anfang gemacht. Sie hat mit dem Blick einer außenstehenden Rheinländerin dasjenige wahrgenommen, was in Gelsenkirchen vielleicht bewusst schon gar niemand mehr wahrnimmt, weil alle unter dem „Gelsenkirchener Schleier“ im Nebulösen des Strukturwandels, der sich nicht einstellen will, verfangen sind. Weil der Strukturwandel plötzlich doch kommt, den man aber so – mit noch mehr Armut im Gepäck – gar nicht haben wollte. Insofern gebührt ihr von meiner Seite aus Dank für diese Feststellung der Gelsenkirchener Besonderheit. Was in diesen Tagen bedeutsamer erscheint als einem romantisierenden Nachhängen einer vergangenen Kumpelmentalität aus vermeintlich guten alten Zeiten, die in diesen nunmehr wirren Zeiten anscheinend unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht zu überleben vermag, da ihr die wesentliche Grundlage – die risikobewährte gemeinsame Arbeit mit der Notwendigkeit des solidarischen Füreinanderdaseins – abhanden gekommen ist. Der Verlust dieser Solidarität müsste durch die Stadtgesellschaft selbst – und allen voran ihrer Führungskräfte – in einem neuen WIR neu erfunden und aktiv gestaltet werden. Dazu braucht es auch des Engagements und des Mutes einer Polizeipräsidentin, was beides zurzeit vor Ort nicht erkennbar ist. Wie der Blick nach Göttingen zur dortigen Polizeipräsidentin zeigt, ist dergleichen als Teil von polizeilich-politischer Führung mit etwas Willen jedoch durchaus vorstellbar. Die Notwendigkeit dafür liegt erklärtermaßen vor.


1 https://www.stroeer.de/blog/communication/urban-talk-sicherheit-bedeutsamkeit-in-unsicheren-zeiten.html

2 Link auf die phoenix-Sendung aus Karlsruhe: https://www.facebook.com/polizei.nrw.ge/posts/1934432693389701

3 https://www.facebook.com/polizei.nrw.ge/photos/a.232513783581609/1931716196994684/

4 Welche Lehren.…vom 28.12.2020, Andrea Dernbach
https://www.tagesspiegel.de/politik/sexuelle-angriffe-auf-frauen-welche-lehren-aus-der-koelner-silvesternacht-gezogen-wurden/26731940.html

5 https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/aerger-in-gelsenkirchen-city-wieder-diebstahl-und-schlaegerei-id232471667.html vom 7. Juni 2021

Gelsenkirchen – Stadt mit einer „erschöpften Gesellschaft“

von Joachim Sombetzki

Gelsenkirchen. Eine gesellschaftliche Situation, die man auch mit dem Begriff der „erschöpften Gesellschaft“1 beschreiben kann, die sich zu einer kulturellen Bedrohung ausweitet, ist in Gelsenkirchen seit Jahren im Ansatz deutlich wahrnehmbar. Diese Wahrnehmung hat sich zuletzt verstärkt. Sie betrifft die soziale Erschöpfung der Einzelnen, wobei sich diese vordringlich aus einer in Gelsenkirchen etablierten „Kultur der Armut“ zusammenballt. Und findet ihr Spiegelbild in einer möglicherweise „erschöpften Gesellschaft“, die sich am untersten Ende von Kommunen in Deutschland in Sachen Lebensqualität und Standards der Daseinsvorsorge befindet. Die Armut der Politik im Rathaus wirkt in die Stadtgesellschaft und zeigt ihre soziale und politische Verwundbarkeit auf.

Unzufriedenheit mit dem Rathaus

Die Lage einer „erschöpften Gesellschaft“ im politischen Alltag in Gelsenkirchen gilt es zu erkennen und zu hinterfragen. Als Ausgangspunkt bieten sich Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern am 1. Mai an. Als gesellschaftliches Teilsystem dienen sie mittels Beobachtungen und Beschreibungen der Zustandsanalyse. Allgemeine Unzufriedenheit mit der Verwaltung steht im Fokus des öffentlichen Interesses. Im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht die Oberbürgermeisterin und Hauptverwaltungsbeamtin Karin Welge als verantwortliche Person. „Die Unzufriedenheit mit der Oberbürgermeisterin hat sich bereits massiv auf die Verwaltungsmitarbeiter ausgeweitet“, sagt ein Gewerkschafter. „Meine Verwandten und Bekannten berichten von zahlreichen Mitarbeitern, die mit einer Oberbürgermeisterin Karin Welge äußerst unzufrieden sind.“, sagt er weiter. Ein anderer pflichtet ihm bei. Aus meinem eigenen Bekanntenkreis höre ich Vergleichbares von Männern und Frauen, die für die Stadt im Sinne der Daseinsvorsorge arbeiten. Höhepunkt ist ein Wutausbruch in Richtung Verantwortliche im Rathaus, den eine Mitarbeiterin einer Wohlfahrtseinrichtung am Telefon hinschmettert, als es darum geht, dass es die nachgefragten Leistungen für arme Menschen, die es vor Jahren noch gab, bereits länger nicht mehr gibt.

Subjektive Stimmen – objektive Lage

Anhand der nicht nur vereinzelten Rückmeldungen der subjektiven Erschöpfung von Mitarbeitern, die sich um die Daseinsvorsorge und Bedarfserbringung in dieser Stadt versuchen zu kümmern, ergibt sich ein gesellschaftliches Gesamtbild von Menschen in Gelsenkirchen, die in Bezug auf das Rathaus und die Verwaltung ausgebrannt wirken. Ob man bereits von einem „gefährlichen Buschbrand“ sprechen sollte, der entfacht wurde, „in dessen Folge aus den Subjekten die Flammen schlagen“, ist die Frage. Die Metapher scheint ins skizzierte Bild zu passen.

Gleichwohl ist offensichtlich in Gelsenkirchen noch kein vergleichbarer Zustand wie in Duisburg im Jahre 2010 bis 2012 erkennbar. Vor über zehn Jahren forderten die Duisburger Bürgerinnen und Bürger die Absetzung von Oberbürgermeister Sauerland nach dem Love-Parade-Skandal. Gelsenkirchen hatte im Jahr 2015 seinen Jugendamtskandal. Seitdem hat es noch keinen erkennbaren Ansatz gegeben, die Option der Abwahl der Oberbürgermeisterin zu fordern, die der Landesgesetzgeber im Mai 2011 neu in die Gemeindeordnung eingefügte, um die Abwahl von OB Sauerland im Jahr 2012 in Form eines Bürgerbegehrens vornehmen zu können.

„§ 66 – Abwahl des Bürgermeisters2

(1) ¹Der Bürgermeister kann von den Bürgern der Gemeinde vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden.“

Gleichwohl ist der zur Zeit des Jugendamtskandals amtierende Oberbürgermeister Frank Baranowski zur darauffolgenden Wahl für Einige völlig überraschend nicht mehr angetreten. Seine Position an der Seite seiner Ehefrau, die als Geschäftsführerin der örtlichen AWO agierte, war wohl zu brisant. Sie stand mit im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zumal sie als Zeugin für Fragen der Stadtverordneten im Aufklärungsausschuss zur Beteiligung am Jugendamtskandal ihres damaligen Chefs der AWO nicht im Ratssaal erschien. Der AWO-Skandal in den achtziger Jahren, als ein Geschäftsführer von Dortmund nach Gelsenkirchen geholt werden musste, flammte wieder auf. Aktuell kreisen seit einigen Monaten im Zuge von Meldungen und Gerüchten um die verheerende Personalsituation im Jugendamt die politischen Geier. Die überraschende kurzfristige Absage, der 2016 bereits eingestellten neuen Leiterin des Jugendamts Pia Steinrücke, nachdem sie einen ersten Blick ins Jugendamt geworfen hatte, kehrt ins Gedächtnis zurück. Die Ereignisse wirken in der Stadtgesellschaft nach. Politik formt ihre eigene Geschichte.

Angesichts dieser Lage interessiert an dieser Stelle insofern die kulturelle und politische Bedrohung, die der Zustand einer politisch erschöpften Stadtgesellschaft mit sich brächte. Es geht um die Gefahr, wie sich im Zuge dessen in Gelsenkirchen die „utopischen Energien“ für eine gelebte Demokratie in der Stadt allmählich erkennbar erschöpfen. Möglicherweise sogar so weit, dass ein Bürgerbegehren zur Abwahl nicht stattfinden könnte, weil sich niemand dafür interessiert. Weil in Gelsenkirchen ein Bürgerbegehren ohnehin noch nie erfolgreich war. Und sich stattdessen der Unmut einfach in einer Art Protestwahl bei der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2025 ausdrückt, was einem aktuell wieder zunehmenden Trend von Bürgern mit Wut im Bauch entspräche.3 Oder gar nicht gewählt wird, weil komplett das Interesse an der Gelsenkirchener Kommunalen Demokratie verloren geht, wie es mancherorts in Gesprächen den Eindruck macht. Letzteres hat sich jedenfalls bereits in der schlechten Wahlbeteiligung bei der letzten Kommunalwahl niedergeschlagen. Die Analyse hierzu steht noch weitgehend aus.

Das Ideal gelebter Demokratie

Basis jeder Demokratie, und damit auch der kommunalen Demokratie, ist die Gewaltenteilung unter Beteiligung der Medien und mithin der Öffentlichkeit. Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus folgt aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes.

„Eine funktionierende Demokratie in der Kommune setzt die Information der Bürger und die damit verbundene Bildung einer unabhängigen Meinung voraus. Der städtischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Der Deutsche Städtetag formuliert diese in seinen Leitsätzen: „Kommunale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist eine Pflichtaufgabe der Städte. Sie leitet sich aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ab“ (Deutscher Städtetag, 2012, S. 1).

Die Öffentlichkeitsarbeit im Gelsenkirchener Rathaus wird jedoch seit Jahren nicht mehr im Sinne des Demokratieprinzips geleistet. So werden beispielsweise die Protokolle von Sitzungen des Rats und seiner Ausschüsse, sowie der Bezirksvertretungen in Gelsenkirchen entgegen dem Demokratieprinzip nicht zeitnah verfasst und veröffentlicht. Mit den Protokollen fehlt die Basis für eine funktionierende Demokratie.

Protokolle im Rat und seinen Ausschüssen

Eine Beschwerde eines Bürgers bei der Fachaufsicht der Bezirksregierung und des Ministeriums für Kommunales als Obere Aufsichtsbehörde, führte vor Jahren zu einem Umdenken der Verantwortlichen im Rathaus, die eine zeitnahe Protokollerstellung als nicht notwendig erachtet hatten. In deren Mitte fungiert die Oberbürgermeisterin und Hauptverwaltungsbeamtin Karin Welge als Chefin der Verwaltung.

Doch obwohl Ende 2021 vom Rat eine Änderung seiner Geschäftsordnung beschlossen wurde, wonach die Protokolle für die nächste – spätestens übernächste Sitzung – zu fertigen und im Ratsinformationssystem zu veröffentlichen sind4, haben sich die Verwaltungsabläufe anschließend nicht zeitnah verbessert. Zum Zeitpunkt meiner Recherche am 12. Mai 2023 fand sich im Ratsinformationssystem als zuletzt gefertigtes und veröffentlichtes Protokoll dasjenige zur Ratssitzung vom 12. Mai 2022 (!!). Die Protokolle der darauf folgenden Ratssitzungen in 2022 – vom 23. Juni, 11. August, 29. September, 08. Dezember 2022, sowie vom 09. Februar, 23. April und 08. Mai 2023 – waren nicht gefertigt. Vergleichbares gilt für den Hauptausschuss. Hier findet sich das letzte gefertigte Protokoll zur Sitzung am 05. Mai 2022. Die Fraktionen können ohne diese Protokolle nicht wirklich ihre Arbeit machen. Die nicht zeitnahe Erstellung und Veröffentlichung von Ratsprotokollen beeinträchtigt die Fraktionen und Parteien massiv in ihrer grundgesetzlichen Aufgabe sich an der politischen Willensbildung der Bevölkerung zu beteiligen. Zudem können sie die Arbeit der Verwaltung nicht kontrollieren; ihr Beschwerderecht nicht zeitnah ausüben.

„Die Niederschriften sollen grundsätzlich zur nächsten, spätestens zur jeweils übernächsten Sitzung im Ratsinformationssystem veröffentlicht sein. Nach Veröffentlichung der Niederschrift können Stadtverordneten in den Diensträumen der Verwaltung die Audioaufzeichnungen zugänglich gemacht werden, um zu überprüfen, ob Unrichtigkeiten bestehen.“²

Die Öffentlichkeit der Stadtgesellschaft kann ihrerseits die Demokratie nicht zeitnah aktiv mitgestalten. Die Medien können nicht angemessen über Sachverhalte recherchieren. Schlecht oder unbeantwortete Presseanfragen tun ihr Übriges. Die Kommunale Demokratie lebt nicht. Sie hat sich mit der nicht zeitnahen Erstellung der Protokolle gesellschaftlich und demokratisch strukturell erschöpft. Eine funktionierende Demokratie in der Kommune setzt die Information der Bürger und die damit verbundene Bildung einer unabhängigen Meinung voraus. Und das Vertrauen, dass die Gewählten im Rathaus die strukturellen Bedingungen hierfür schaffen und wahren.

Verlust von Vertrauen ins Rathaus

Vertrauen ist die Währung in einer Demokratie. In einer „erschöpften Gesellschaft“ mit einer politischen „Kultur der Armut“ in Rat und Verwaltung wäre ein Verlust von Vertrauen in die Politik im Rathaus fatal.

Mit der fehlenden Kontrolle und mangelnden Durchsetzung der neuen Protokollregelungen, die aktuelle unabhängige Meinungsbildung und damit gelebte Demokratie ermöglichen sollen, geht viel Vertrauen verloren. Dass und warum Oberbürgermeisterin Karin Welge als Vorsitzende des Rats und des Hauptausschusses, sowie als Chefin der Verwaltung, die neue Regelung einführen lässt, dann aber nicht ihre Durchführung gewährleistet, ist ein Skandal. Die Art und Weise lässt an die medienwirksame Kurzanalyse von Alt-OB Frank Baranowski im WDR-Interview zum Jugendamtskandal denken, wonach die Verwaltung nach dem System „Tricksen, Täuschen, Tarnen“ handele. Im weiteren Verlauf wurden als verloren deklarierte Akten im Keller des Jugendamts mit einem vermeintlichen Wasserschaden im Aufklärungsausschuss entschuldigt, was allgemein wenig glaubwürdig ankam. So geht Vertrauen in Verwaltung und Politik vor Ort immer mehr verloren.

Der Sachverhalt der derzeit fehlenden Protokolle stellt aber nicht nur einen Skandal da. In der Analyse stellt er sich als Symptom einer „Kultur der Armut“ in Gelsenkirchen da, der mit „Sich-Einrichten“ und „Rückzug“ einhergeht. Ihr Fehlen markiert ein Symptom der „sozialstrukturellen Prozesse der Ausgrenzung“. Eine dergestalt ausgegrenzte Stadtgesellschaft wird die fehlende Transparenz in die Arbeit im Rathaus entsprechend gutieren. Das geschieht teils bewusst, teils unbewusst.

Tatsächlich muss man den Stadtverordneten im Rat diesbezüglich einen Vorwurf machen. Sie müssen sich um die demokratischen Grundrechte ihres Mandates und ihre Stadtgesellschaft als solches insgesamt – im Sinne des Demokratieprinzips – kümmern. Das setzt auf der anderen Seite eine Verwaltung voraus, die die Stadtverordneten nicht abschätzig als „Hausfrauen-Parlament“ ansieht. Wenn Verwaltung den Rat intern so benennt, wie mir persönlich zu Ohren kam, fehlt es den Bediensteten an Respekt gegenüber dem Dienstherrn.

Natürlich muss man sich Respekt auch ein wenig verdienen. Andererseits sind die Stadtverordneten mit ihrer Untätigkeit gegen die seit einem Jahr fehlenden Protokolle als gesellschaftliches Teilsystem selbst ein Symptom der „erschöpften Gesellschaft“ in einer „Kultur der Armut“ in der Stadt. Insofern stellt sich die Frage, was man von ihnen als nicht hauptberuflich Tätige angesichts der Gelsenkirchener Verhältnisse im Besonderen noch erwarten kann und darf:

Antworten auf diese Frage orientieren sich zwingend an den verfügbaren Ressourcen und Möglichkeiten der Menschen, aber auch an ihrer Stellung und Position in der Sozialstruktur sowie an ihren Teilhabemöglichkeiten im Kontext von Verwirklichungskulturen.“¹

Schlussendlich bleibt zu benennen, dass wenn die Demokratie und das Demokratieprinzip nicht von Demokratinnen und Demokraten geschützt wird, es um die Kommunale Demokratie geschehen ist.

Ergebnis könnte tatsächlich der Wandel zu einer Gesellschaft werden, die sich an ihren eigenen Voraussetzungen und Versprechungen erschöpft, ohne sich dessen bewusst zu sein. Beobachtbare Erschöpfung wird damit zur Mahnung über Hintergründe und Folgen nachzudenken.“¹

Meine Meinung

Ein zeitnahes Bedenken mit praktischer Umsetzung im Rathaus wäre erklärtermaßen äußerst wünschens- und empfehlenswert, um das verbliebene Rest-Vertrauen vor dem Untergang zu bewahren. Eine radikale Umkehr im Sinne des Demokratieprinzips sollte als vertrauensbildende Maßnahme verlorengegangenes Vertrauen wieder herstellen können. Um das zu erreichen, wäre meiner Meinung nach eine kontrollierte Umsetzung der Protokollerstellung wie in anderen Städten – sofort bzw. innerhalb von einer Woche – vonnöten. Ob die Stadt die hierzu notwendige „utopische Energie“ zur Umsetzung besitzt, wird bis sich zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2025 zeigen.

1 Ronald Lutz, in: Soziale Erschöpfung, 2014

2 Gemeindeordnung für das Land NRW mit der Änderung vom 24. Mai 2011.

3 Siehe hierzu den WDR-Filmbeitrag „Warum ist die AfD so stark in Gelsenkirchen?“ in der Lokalzeit Ruhr vom 17. Mai 2023 von Jennifer Kerkhoff. https://www1.wdr.de/lokalzeit/fernsehen/ruhr/video-warum-ist-die-afd-so-stark-in-gelsenkirchen-100.html (bis 24.05.23)

4 § 22 Abs. 5 Geschäftsordnung für den Gelsenkirchener Rat und seine Ausschüsse vom 09. Dezember 2021.

Kampf um Demokratie noch nicht verloren?

Bei Scobel ’s Thema am 09. Juni 2022, „Kampf um Demokratie“, machte Prof. Dr. Nicole Deitelhoff auf die Abschlussfrage, „Wie kann der Demokratie wieder Leben eingehaucht werden?“, deutlich, dass sie sehr dafür sei, dass den Menschen die einfachen demokratischen Teilhabechancen auf kommunaler Ebene eröffnet und nicht erschwert würden. Also: Anregungen und Beschwerden unterstützen und nicht bekämpfen, Demonstrationsrechte fördern und nicht erschweren, … . Prof. Welzer und Prof. Lisa Herzog stimmen dem zu.

Wenn die Experten diesen Rat geben, dass Demokratieentwicklung mit den einfachen demokratischen Beteiligungsrechten zu fördern sei, dann scheint – wie wir in Gelsenkirchen im Zuge eines blockierenden Rathauses längst definitiv wissen – der Kampf gegen die Demokratie vonseiten der Technokraten aus den Rathäusern zu ihrem eigenen Machterhalt, nicht nur in GE, sondern landesweit ein echtes Problem zu sein.

Die Runde bezeichnet die Macht der Organisationen als abschreckende bürokratische Monster nicht in dieser Form, mit dieser sprachlichen Deutlichkeit. Es wurde an dieser Stelle stattdessen ein Witz gemacht, den ich bisher nicht verstanden habe, der aber zu allgemeinen Erheiterung der Runde beitrug. Dem Ergebnis tut das indes keinen Abbruch.

Das Zitat von Habermas, das Scobel hierzu vorab in die Runde wirft, drückt den Zustand aus, dass Habermas nicht mehr davon ausgeht, dass Bürger mit Kritik und Anregungen der Demokratie das Entwicklungspotzential verleihen, dass die kommunale Demokratie benötigt, um nicht in unlebendiger Erstarrung zu verfallen. Diese, andersorts auch mit dem Begriff des „Post-Post-Demokratischen Zustands“, bezeichnete Zeit, verdeutlicht die desolate Lage der Demokratie auf eine besondere Weise. Die Post-Demokratie, in der Bürger noch zur Demokratie im Rathaus durchdringen konnten, um zumindest Kontrolle von außen in das mit den internen Kontrollmechanismen nicht mehr funktionierende Gewaltenteilungssystem hinein zu befördern, um ihm von außen Leben einzuhauen, wird in der Zeit der Post-Post-Demokratie nicht mehr zugelassen. Damit wäre, so die Scobel-Runde, auch im Anschluss an Habermas eine Reform (von innen) dringend nötig, um Demokratie am Leben zu erhalten.

Wer sagt es ihnen?

Stellt sich anschließend die Frage, ob die Verantwortlichen Lust darauf haben ihre Macht freiwillig abzugeben, um die Demokratie von der kommunalen Ebene („Mutter der Demokratie“ ,„All politics is local“) her zu retten. Politiker sind ja Realisten, die Interesse am Machterhalt besitzen, und keine Philosophen, denen es um die Liebe zur Weisheit der notwendigen Weiterentwicklung von Staatsformen geht.

Also: Wer macht es ihnen klar?

PP’in Zur: „Ein Schleier liegt über der Stadt“

Gelsenkirchen/Düsseldorf/Köln. Im Monat Mai war Deutschlands jüngste Polizeipräsidentin Britta Zur mehrfach in den Medien präsent. Zum einen im Karlsruher Verfassungsgerichtsforum unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts im Gebäude desselben. In den anderen beiden Fällen via Internet bei der Präsentation der eigenen neuen Fahrradstreife in Gelsenkirchen, und bei einem Urban-Talk der Fa. Stroer zum Thema Sicherheit. Und dann sind da noch die Vorkommnisse um den Heinrich-König-Platz (HKP) und das neue Quartiersprojekt zur Integration in Ückendorf. Jede Menge Stoff also, um sich ein Bild von der Neuen zu machen.

Quintessenz

In einem Artikel aus dem Monat Mai diesen Jahres lässt sich recht gut ablesen, wie ein Schleier über dem Thema Sicherheit und Ordnung insgesamt und speziell in der Stadt Gelsenkirchen liegt. Neu hinzugekommen ist der Skandal um die Äußerungen von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst (KOD) im Präventionsrat Ückendorf, der Skandal um den Rücktritt des Vorsitzenden des Präventionsrates Horst, sowie die Äußerungen aller fünf Bezirksbürgermeister in der Stadt Gelsenkirchen.

Die Äußerungen der Polizeipräsidentin Britta Zur aus dem Chat habe ich am Ende unter dem pdf-Dokument zusammengefasst.

Die Aussagen von Britta Zur im Urban Talk bei Stroer zum Thema „Sicherheit: Bedeutsamkeit in unsicheren Zeiten“ zusammengefasst:

Mitschrift ab Min. 8:00

Datum der Veranstaltung, ist – obwohl Ströer es uns weismachen will – n i c h t der 31. Mai!, sondern möglicherweise irgendwann Anfang Mai*:

Auf die Nachfrage, was es mit dem Kumpelsein in Gelsenkirchen heute noch auf sich hat, antwortet PP’in Britta Zur, dass sie sich mit Kumpeltum nicht hundertprozentig auskenne, „weil ich in Düsseldorf lebe“. Sie sei in Gelsenkirchen aber aufgeschlossen, herzlich empfangen worden. Die Gelsenkirchener tragen ihr Herz auf der Zunge. Insofern ist das Kumpeltum noch im Alltag spürbar. In Krisenzeiten hält man im Ruhrgebiet zusammen. Man krempelt die Ärmel hoch, legt eine Schüppe mehr drauf. Man spürt schon, dass alle irgendwie an einem Strang ziehen.

Zur Frage der Lage in GE. Die Stadt Gelsenkirchen atmet nur, wenn Schalke spielt. Jetzt spielt Schalke nicht, oder nur schlecht, so ist das schon ein Schleier, der über der Stadt liegt.

Zur Frage, was für sie neu sei bei der Polizei. Die Polizei ist ein großes, altes Schiff. Ich bin dagegen reaktionsstark und schnell unterwegs. Veränderungsprozesse gehen nur in einem kleinteiligen Prozess. Veränderungen sind bei der Polizei nur kleinschrittig möglich. Meine Mitarbeiter haben sich mittlerweile daran gewöhnt, dass ich sehr schnell bin.

Ab Min. 17:23

Die Polizei ist kein langsam reagierender Apparat. Ich habe hier eine tolle, gut funktionierende Mannschaft. Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Leute. Ich war in Berlin zur Einsatzbegleitung zur 1. Mai-Demo. Ich war schwer begeistert, wie gut wir aufgestellt sind, wie professionell wir sind. Mit wie viel Ehrgeiz. Mit wie viel Empathie. Wir kriegen viel positive Resonanz. Wir sind sehr aktiv in den Sozialen Medien. Wir versuchen ein präsente Arbeit zu machen. Was wir tun. Wer wir sind. Ich komme ja aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Es gibt auch Menschen, die sich aufregen.

Ab Min 25:25 und 30:30

Gewalt gegen Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst war mein vorheriger Aufgabenbereich bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf. Ich hätte niemals geglaubt, dass das wie ein Volkssport ausgeartet ist. Es hat eine breite Bevölkerungsschicht erreicht. In den letzten zwei Monaten der Pandemie sei die Aggressivität enorm angestiegen. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Straßenraub und Wohnungseinbrüche gehen zurück. Massiv hohe Anstiege bei Computerkriminalität und Beleidigung im Netz. Schwerpunktstaatsanwaltschaft in NRW für Cyberkriminalität. Für viele ist das eine ganz gefährliche Spielwiese.

Ab Min. 41:30

Ich mag den Gedanken der Identifikation. Wir versuchen in Stadtteilen die gleichen Beamten einzusetzen. Die laufen die ganze Zeit durch die Straßen. Wir gehen enge Kooperationspartnerschaften ein mit der Stadt. Es gibt Sprechstunden der Polizei. Wir haben Präventionsräte*¹ eingerichtet, um auch für kleine Sachen eine Kontaktmöglichkeit zu bieten (wie z.B. Vermüllung etc). Auch zu Schulen gibt es Kontakte. Ich als Präsidentin mache Bürgersprechstunden ganz oft. Polizei soll nicht nur als Institution wahrgenommen werden, sondern als Menschen. Auf Nachfrage/Kompliment des Moderators: Ich denke schon, dass ich die am meisten diversifizierte Organisation in Gelsenkirchen leite.

Ab Min. 47: 27

Polizei ist wichtig. Ich stärke meinen Mitarbeitern den Rücken.

  • * Aus der Schlussbemerkung von Frau Zur erschließt sich, dass das Stöer-Meeting hier vor dem Treffen in Karlsruhe am 22. Mai stattgefunden hat. Also nicht vom 31.05. ist.
  • *¹ Anm. d. Red: Der Präventionsrat City trifft sich zum ersten Mal seit zwei Jahren (Sept. 2019) wieder zu einer Sitzung. Die nächste Sitzung des Präventionsrates City ist auf meine Anregung hin am 02. Sept. 21, 18 Uhr im (Altstadt-)Cafe Georg.

    Meine Themenvorschläge wurden, bis auf „Aggressives Betteln“ und Beteiligung der Bezirksbürgermeisterin Mitte, alle übernommen. Der Polizeivertreter Krahe hatte auf meinen Vorschlag, einen Vertreter der Bezirksbürgermeisterin (Hr. Bork) zur Präventionsratsitzung hinzuzuziehen, geäußert, er würde das ablehnen, weil es dann politisch würde. Tatsächlich sieht die Satzung eine solche Beteiligung ausdrücklich vor. Da der Tagesordnungspunkt von der Polizei politisch nicht gewollt ist, erscheint er nicht. Das müsste das Thema sein. Der Präventionsrat ist – wie PP’in Zur angibt – nicht nur für kleine Sachen, wie Vermüllung. Dafür gibt es eine App. Insofern soll mein Beitrag hier ein Anstoß für einen dahingehenden Diskurs sein, wo sich die Polizei in GE in Bezug auf die Stadtgesellschaft politisch positioniert hat. „Ein Schleier liegt über der Stadt“ trifft es – wohin man derzeit schaut – insoweit bislang recht gut.

    Hinsichtlich des Themas des „Aggressiven Bettelns“ habe ich bereits im Vorfeld der Präventionsrat-City-Sitzung eine Website erstellt, weil ich mit meinen Vorschlägen zu den TOP der Sitzung bereits Kritik dahingehend geäußert hatte, dass das Thema schon in der letzten Sitzung im Jahr 2017 Beschlüsse hervorgebracht hat, wie das Erstellen von Flyern insbesondere für die Cafes, damit diese ihre Rechte kennen und ihre Gäste schützen, was jedoch trotz Beschlusslage nicht umgesetzt worden ist. Der WAZ-Artikel mit der Kernaussage „Verbotene Bettelei ist laut Stadt kein großes Thema in Gelsenkirchen. Händler erleben das zurzeit anders.“, wird durch eigenes Erleben der Passanten untermauert, die von den aggressiven Bettlern zusehends genervt sind. Letzte Woche (16. bis 21.08.) kam es in einem Cafe fast zu Handgreiflichkeiten, weil der Quetschkommoden-Bettler trotz eindeutiger Hinweise das Cafe bitte zu verlassen und weiterzugehen, nicht nachkam. Erst auf die lauten Rufe eines Gastes: „Ich rufe die Polizei!“ verließ er den Geschäftsbereich. (Nach einer Viertelstunde hatte er genug Geld auf dem Neumarkt und HKP in den umliegenden Cafes und Restaurants zusammengeduddelt, übergab den Batzen Geld, den er erbettelt hatte vor unseren Augen seiner Freundin und beide verließen – wie ein Gast mit: „Er hat schon genug gesammelt.“ laut bemerkte – fröhlich den HKP. Duddler in GE. Ein lukrativer Job ohne Steuern zahlen zu müssen, weil die Ordnungskräfte pennen. Toll, was so alles geht).
  • Das von Rechts- und Ordnungsdezernent per Dokumentenvorlage versprochene Taubenhaus City – zum Ende 2020 – gibt es weiterhin nicht. Es fehlen die Gelder aus den notwendigen Steuereinnahmen um es zu bauen, ist zu vermuten.

14-20/8511
Referat, 32 – Öffentliche Sicherheit und Ordnung – Frau Pohl, Tel. 1 69-56 85

vom 24.02.2020

Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Sitzungstermine Top 17.03.2020

Anfrage des beratenden Mitgliedes Herrn Rikowski

  • Eindämmung der Taubenproblematik –
    Inhalt der Mitteilung
    In der Sitzung am 28. Januar 2020 wurde unter TOP 7.2.3. folgende Anfrage gestellt:
    Herr Rikowski führte aus, die von verwilderten Brieftauben verursachten Unannehmlichkeiten seien allgemein bekannt. Weniger seien der Öffentlichkeit gesundheitliche Gefahren bewusst, die von Tauben ausgehen. So gelten diese Kreaturen u. a. als Überträger gefährlicher Ornithoxerreger und Salmonellen.

    Stellungnahme der Verwaltung

    Im Jahr 2019 wurden 17 Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund begangener Verstöße gegen das Taubenfütterungsverbot eingeleitet, außerdem wurden durch den Kommunalen Ordnungsdienst fünf Verwarnungsgelder erhoben. Die Errichtung eines Taubenhauses auf der Grünanlage an der Robert-Koch-Straße ist vorgesehen. Das Taubenhaus soll möglichst im Jahr 2020 fertiggestellt sein.

Aggressives Betteln und Ordnungssatzung

Gelsenkirchen-City. Im Zuge der Klagen von Einwohnern und Händlern über das als aggressive Betteln bekannte Phänomen, hat die WAZ am 01. Juli 2021 einen Artikel mit dem Titel „Händler beklagen unangenehme Bettelei“ veröffentlicht. Der Inhalt dieses Artikels muss Gegenstand der Erörterung sein. Denn was dort von den Akteuren des politischen Einflusskreises, vonseiten der Wohlfahrtsverbände und der Stadtverwaltung den Bürgerinnen und Bürgern als rechtlich relevant vermittelt wird, erweckt einen falschen Eindruck, der mit der Rechtswirklichkeit der Ordnungssatzung der Stadt nur entfernt etwas zu tun hat.

Ein Blick über den Tellerand hinaus

Die Sommermonate sind die Hochkonjunktur für Bettler, wie aus der Antwort des Innenministers des Landes Baden-Württemberg 2019/20 im Rahmen einer Kleinen Anfrage hervorgeht:

„Insbesondere an Örtlichkeiten in den Innenstadtbereichen, die stark von Fußgängern frequentiert werden, wie beispielsweise in Fußgängerzonen, an Bahnhöfen, in Parkhäusern und in Einkaufspassagen komme es immer wieder zu polizeilichen Vorkommnissen im Zusammenhang mit Bettelei. Die festgestellten Personen stammen häufig aus Südosteuropa.“

Die Stadt Rosenheim rät ihren Bürgerinnen und Bürgern in einem Flyer: Spenden sie nichts!

Best practice – Städtevergleich

Im Vergleich mit anderen Städten – ist zwar die Meinung der Stadt, Polizei und Wohlfahrt, anders als die der Händler, wie z.B. in Solingen zum Bettelproblem ähnlich gelagert: Die einen sagen: Ist nicht so schlimm! Die anderen: Dass es in der City weiterhin Probleme gibt. Schließlich ist eine lebenswerte Innenstadt das Ziel – für alle Solinger.“

München hat laut Wikipedia das in Gelsenkirchen erlaubte „Demutsbetteln oder stille Betteln“, das seit Anfang 2021 durch Entscheidung des EGMR als Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt, regional begrenzt und in der Münchner Altstadt verboten. Es nahm einfach überhand. Soweit ist Gelsenkirchen noch nicht. Das fehlende Einschreiten des KOD macht aber angesichts der bestehenden Händler- und Einwohnerklagen wenig Hoffnung.

Die Rechtslage in der Stadt Essen ist mit der in Gelsenkirchen vergleichbar. Man hat in 2017 mit einer Ordnungssatzung reagiert.

Falschverstandene Rechtslage durch FDP, WAZ und Caritas

Im WAZ-Artikel wird eine teilweise von der Ordnungssatzung abweichende Realität in Gelsenkirchen dargestellt, die mit dem in einem demokratischen Willensbildungsprozesses des Rats und seiner Ausschüsse erarbeiteten und gewünschten Regelungsgehalt nichts zu tun hat.

Ein Leserbrief über die Darstellung seitens der Stadt und der Caritas, sowie zu Funktionaliät von Kommunalem Ordnungsdienst (KOD) und Polizei bringt die fatale Lage der Missachtung der Ordnungssatzung beim Betteln, die als solche von den Organisatoren in dem WAZ-Artikel beschönigt wird, so auf den Punkt:

„Die interessensgeleiteten Meinungsbeiträge von der „Stadt“ und dem „Caritas.pädagogen“, der vemutlich ein Peter-Spannenkrebs-Statement fachfrei nach-gekaut hat, sollte man als Meinungsbeiträge einfach mal so herumstehen lassen.
„KOD“ wie interessensgeleitete Stadtpolizei sollen wissen: Sehr viele der geplagten Bürger melden sich bei DIESEN gar nicht mehr, nach dem Motto:“Das bringt doch nix! Die tun doch eh nix!“ (Sinngemäße Wiedergabe eines originalen GE-Zitats)“
Quelle WAZ-Leserbrief vom 29. Juni 21, W.S.

Die Statements im Einzelnen

Bernd Miny, Leiter der Caritas-Wohnungslosenhilfe:

sieht in aggressiver oder organisierter Bettelei „kein großes Problem“. Ein Geschäftsmann habe sich in den vergangenen zehn Jahren noch nie verärgert an die Wohnungslosenhilfe gewandt. … Klar sei allerdings auch: Bettler gehören nun einmal zum Bild einer Großstadt, so die WAZ zum Statement von Miny. (Hier nur ein Auszug daraus)

Stadtsprecher Martin Schulmann:

in den vergangenen zwei Jahren hat die Stadt keinen einzigen Verstoß gegen bettelnde Menschen eingeleitet. Dies liege auch daran, dass die Mitarbeiter des KOD zunächst einen Platzverweis aussprechen, falls jemand auf verbotene Weise nach Geld fragt. „Dann ist die Botschaft in der Regel angekommen, und wir müssen kein Ordnungsgeld verhängen.“ Wie oft es zu Platzverweisen kommt, werde jedoch nicht dokumentiert.

Polizeisprecherin Merle Mokwa:

Auch auf organisiertes Betteln gibt es in Gelsenkirchen keinen Hinweis. Gänzlich ausgeschlossen werden könnten etwaige Strukturen allerdings nicht. Im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Mai 2021 seien lediglich vier Strafverfahren nach Betrugsdelikten im Zusammenhang mit Bettelei eingeleitet worden.

Ordnungspolitischer Sprecher der FDP, Christoph Klug (Wirt):

„Natürlich muss man unterscheiden zwischen den netten Obdachlosen, die freundlich um einen Euro fragen und den lauten Bettelversuchen anderer.“ Erlebtz habe Klug auch, dass manch angeblicher Bettler später in teuren Fahrzeugen abgeholt wird, weshalb er vermutet, dass auch Bettel-Banden in Gelsenkirchen am Werk sind.

Marc Decker, Lederwaren Droste, Buer und Dirk Niewöhner, Buchhandlung Kottmann:

Decker: Ein „Nein“ werde von manch einem nicht akzeptiert. Niewöhner beklagt: dass es sowohl in der Nähe seines Buchladens in Buer als auch im Stadtsüden immer wieder zu „unangenehmen Situationen“ komme. Inakzeptabel sei es, wenn einem nachgelaufen oder direkt auf einen zugegangen werde. Solche – in Niewöhners Augen – „aggressive Bettelei“ müsse man mehr unterbinden.

Die WAZ zitiert aus der Ordnungssatzung zu aggressivem Betteln wie folgt:

„Darin heißt es, wenn die bettelnde Person jemanden „anfasst, festhält, bedrängend verfolgt, hartnäckig anspricht, Tiere als Druckmittel einsetzt oder sich der angebettelten Person in den Weg stellt“, sei von „aggressiver Bettelei“ zu sprechen.

Die Ordnungssatzung (ObVO GE vom 16.08.2017) besagt in § 3:

(2) Verboten ist insbesondere

  1. a) aggressives Betteln
    (Aggressiv im Sinne dieser Verordnung ist das Betteln insbesondere dann,
    wenn die bettelnde Person die angebettelte Person anfasst, festhält,
    bedrängend verfolgt, hartnäckig anspricht, Tiere als Druckmittel einsetzt oder
    sich die bettelnde Person der angebettelten Person in den Weg stellt, legt oder
    setzt.)

    b) bandenmäßiges bzw. organisiertes oder berufsmäßiges Betteln
    (Bandenmäßiges bzw. organisiertes Betteln kann insbesondere vorliegen, wenn
    Bettlerinnen und Bettler erkennbar „dirigiert“ und ihnen Bettelplätze
    „zugewiesen“ werden. Weitere Indizien können das erkennbare Einsammeln
    der Bettelerlöse durch Dritte, die „Verteidigung“ bestimmter Plätze gegen
    Konkurrenten sowie die Bewachung von bettelnden Minderjährigen durch
    Erwachsene darstellen.)

    c) Betteln unter Beteiligung von Kindern oder Jugendlichen sowie Betteln von
    Kindern oder Jugendlichen

    d) Betteln durch Vortäuschen von nicht vorhandenen körperlichen Behinderungen,
    Krankheiten oder Gebrechlichkeit sowie persönlichen Notlagen oder durch
    Vortäuschen von künstlerischen Darbietungen mit nicht gebrauchsfähigen
    Musikinstrumenten

    e) Betteln mit Tieren, ohne dass die erforderlichen sowie vollständig und
    wahrheitsgetreu ausgefüllten tierseuchen- und tierschutzrechtlichen Nachweise
    (z. B. Impfpass) mitgeführt werden

    f) verkehrlich behinderndes Betteln
    (Eine verkehrliche Behinderung liegt vor, wenn eine nicht vertretbare
    Beeinträchtigung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist,
    z.B. wenn bei reinen Gehwegen 1,60 Meter Durchgangsbreite und bei
    angrenzenden Radwegen 1,90 Meter Durchgangsbreite nicht gewährleistet ist.)

    g) Betteln in der unmittelbaren Nähe von Parkscheinautomaten oder
    Sammelplätzen von gegen Münzpfand ausgegebenen Einkaufswagen
    Quelle

Zusammenfassung

Die Ansicht der Stadt, des KOD, der Caritas und der FDP sind angesichts der bestehenden Regelung nicht haltbar. Auch ein freundliches Betteln kann missverständlich wirken. Der eigentliche Sinn und Zweck des Verbotes des aktiven Bettelns ist, die Streitvermeidung. Wer bettelnd angegangen wird, fühlt sich belästigt. Demgegenüber ist das Sitzen am Straßenrand als „stilles Betteln“ erlaubt, da es keinen Ärger verursachen kann, weil die Geldspende aus eigenem Antrieb erfolgt, und nicht, weil die Passanten sich genötigt fühlen.

Besonders den Störungen der Geschäfte und Cafes in der Innenstadt muss der KOD endlich die Aufmerksamkeit schenken, damit die Innenstadt wieder ein ungestörtes Erlebnis wird. Dazu müssen die Grundsätze des aktiven Anbettelns beim Angehen und Nachlaufen ebenso auf die aggressiven Spendensammler von ihren Fundraising-Ständen aus angewandt werden. Im Best-practice-Vergleich stellt sich heraus, dass hier andere Städte deutliche Worte und Taten finden um die Passanten vor den aufdringlichen Spendeneintreiber, die auf Provisionsbasis arbeiten, zu schützen.

PräGE-Verfahren bei aggressivem Betteln

Gelsenkirchen-City. Das Thema des unerlaubten Bettelns liegt dem Präventionsrat-City vor. Die Vorsitzende Angela Bartelt hat im Herbst 2019 auf meinen Vortrag hin, dass die Bettler in die Cafes hineingehen, versprochen, dass man die offenbar über die Rechtslage in Unkenntnis befindlichen Cafehaus-Betreiber mit einem Info-Blatt über die Lage aufklären wolle. Meines Kenntnisstandes nach ist diese Verabredung im Präventionsrat-City in der Praxis nicht umgesetzt worden. Nichtsdestotrotz ist das Thema dort bekannt. Angela Bartelt berichtete über die erlaubten Bettler und Bettlerinnen, die – ohne die Passanten anzusprechen (was verboten wäre) – sich an den Stellen in der City aufhalten, wo sie die Ladeninhaber auch nicht weiter störten. Diese Personen seien bekannt. Von dem aggressiven Betteln, sprich Ansprechen von Menschen in den Cafes und den Passanten in der City, sei nichts bekannt. Aufgrund der detaillierten Beschreibung wolle man jedoch der Sache nachgehen. Wie gesagt, das war 2019. Die letzte Sitzung war im Sept. 2019. Die Sitzung im März 2020 fiel wegen Corona aus. Den Anstoß für ein baldiges Treffen des Präventionsrates-City gab ich am 5. Mai 2021. Herr Krahe sucht seitdem mit Frau Bartelt einen Termin.

Mit einem Artikel in der isso. im Oktober 2020 habe ich das Unterlassen des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) in dieser Hinsicht thematisiert, in dem ich die Lage wie folgt beschrieb:

„Nachdem in der City im Sommer verstärkt aggressive Bettler auf die Passanten zugehend – und auch in Cafes gehend – betteln, jedoch niemand angerufen werden kann, weil die Telefone beim KOD laufend besetzt sind, oder wie Norbert Labatzki bei seinem Hilferuf im Fall eines Friseurgeschäfts in der Hauptstraße berichtet, die Polizei habe einfach aufgelegt, so ist der Mangel deutlich sichtbar. Es gibt zudem keine bzw. kaum Präsenz in der City von Sicherheits- und Ordnungsmacht – weder seitens der Polizei („Schutzmann”), noch seitens des KOD. Auf meine Nachfrage bzgl. der aggressiven Bettler hin, die ich per E-Mail beim KOD stellen musste, weil das Telefon immer besetzt war, bekam ich nach Tagen die Antwort, man wolle sich kümmern; ich solle demnächst anrufen, wenn sich vor Ort etwas tut. Ich rekapituliere, dass sie in der Leitstelle des KOD wenigstens Humor haben!

Später dann dies: Tage drauf gingen, nach meiner Anregung, zwischen 13 und 15 Uhr in der City Streife zu gehen, dann Mitarbeiter des KOD eine Zeitlang über den Heinrich-König-Platz (HKP). Von einem professionellen Streifegehen, so der Eindruck, waren sie dabei weit entfernt. Es sah mehr nach Spazierengehen aus. Wie ein Mitbürger zu ergänzen wusste: „Mit anschließend im Grünen auf der Parkbank sitzen.” Meine persönlichen Höhepunkte dieser „Arbeit” waren folgende Begebenheiten:

  1. Ein aggressiver Bettler geht – mit heruntergelassener Maske am Hals – die Passanten in Höhe der Sparkasse an. Ich bemerke im Hintergrund zwei Mitarbeiter des KOD und spreche sie an, ob sie es nicht gesehen hätten und einschreiten wollen. Nein, sie hätten nichts gesehen; sie seien gerade aus der Sparkasse gekommen.
  2. Ein aggressiver Bettler geht – mit heruntergelassener Maske am Hals – viele Passanten auf dem HKP an. Eine Frau mittleren Alters reagiert schroff abweisend. Mit offenen Augen und aggressivem Gehabe – fester Griff zur Tasche mit der sie vermutlich ggfs. auszuholen gedenkt, um sich zu verteidigen – sieht sie sich genötigt, den Bettler
    abzuwehren. Genau das soll ja präventiv durch das Verbot verhindert werden!
  3. Ein aggressiver Bettler geht – mit heruntergelassener Maske am Hals – jeden(!) Passanten auf dem HKP an. In Höhe der Augustinuskirche geht er Rechts- und Ordnungsdezernent Dr. Christopher Schmitt an. Der geht unvermittelt weiter.“ isso, 10/2020, S. 14 ff. (16)

Aktuelle Lage

Die Lage ist momentan unverändert. Es tauchen immer wieder Bettler auf, die dreist in die Cafes gehen. Noch heute am Montag, 5. Juli habe ich das erlebt. Mann mit blauem Kaputzen-Pulli und Maske auf Halbmast im Cafe (Bild links: mitte). Bei Kottmann bettelt er mit ausgestrecktem Arm den nächsten Passanten an. (Bild: rechts)

Der Sachverhalt „Händler beklagen unangenehme Bettelei“ wie durch WAZ-Artikel vom 01. Juli 2021 berichtet bedarf aufgrund der durch einige Akteure beschriebenen verzehrten Darstellung der Rechtslage einer gesonderten Auseinandersetzung in einem Teil II. Denn was da zum Teil gesagt wurde, ist mit der gängigen Ordnungssatzung nicht im Ansatz konform.

Bettelei in der Innenstadt – Leserbriefe in der WAZ

„… Meiner Meinung nach hat die Bettelei stark zugenommen. Ich spreche nicht von dem „normalen“ Obdachlosen, der am Rand der Fußgängerzone sitzt. Mir sind in den letzten Wochen Menschen unterschiedlichen Alters aufgefallen die Passanten aufdringlich mit aufgehaltener Hand ansprechen. …Es muss von Seiten der Stadt etwas unternommen werden. Ich bin gerne in meiner Stadt unterwegs und mag die Vielfalt der Menschen hier, aber das gehört nicht dazu.“ Stefanie Endlein, in der WAZ vom 6. Juli 21

E-Scooter in GE-City und am HKP

Gelsenkirchen/City/HKP. Meinem Blog-Beitrag „Fahrradstaffel verteilt Knöllchen am HKP“ möchte ich an dieser Stelle um die Problematik E-Scooter in der City ergänzen. Die aktuelle Lage in GE auf Gehwegen und durch die City heizender E-Scooter-Fahrenden deutet darauf hin, dass die Warnung des Chefs der Polizeigewerkschaft Oliver Malchow „die Polizei sei außer Stande, auch rollenden E-Verkehr auf Bürgersteigen zu moderieren und zu kontrollieren“ komplett eingetreten ist.

Die Lage im Einzelnen

Am Rundhöfchen und Ebertstraße: Wer mit dem Fahrrad über die Straße Am Rundhöfchen auf den HKP zufährt, erkennt auf der Höhe des Cafe Noah rechts ein Schild zur Zufahrt für Radfahrende. Dasselbe gilt für die Freigaben für Fahrräder von der Ebertstraße kommend (Galerie darunter).

Diese Schilder für Radfahrende gelten aber nicht für E-Scooter. Siehe dazu weiter unten im Text.

Notwendigkeit einer Lagebeurteilung in GE

Einer Lagebeschreibung von E-Scootern in der City erachte ich auch deswegen für notwendig, weil die WAZ am 30. Juni 2021 mit ihrem Artikel „E-Scooter-Betreiber: Positive Bilanz“ keine Kritik an den E-Scooterfahrenden übt, sondern allein Betreiber (TIER und SPIN) zu Wort kommen lässt: „Vereinzelt seien Kunden rücksichtslos gefahren, erklärt Tier. Die Situation habe sich nach „anfänglichen Schwierigkeiten in den letzten Wochen sehr gebessert“. Da Fußgänger in den Fußgängerzonen und auf Gehwegen vollkommen andere Erfahrungen machen, die WAZ ihnen in ihrem Beitrag jedoch keine Stimme gibt, macht diesen Blog-Beitrag umso notwendiger. Hinzu gesellen sich aktuelle Schreckensmeldungen von versuchtem Raub über Unfall mit Fahrerflucht, hin zu Fahren zu Zweit über Rot und Fahren ohne Betriebserlaubnis oder unter Drogeneinfluss – mithin (Verkehrs-)delikte aller Art. Ein Blick in eine deutsche Großstadt verdeutlicht, was auch wir in GE zukünftig zu erwarten haben: Chaos.

„…überall flitzen sie umher…immer haarscharf vorbei… Niemand kontrolliert sie, weder die Polizei noch der städtische Ordnungsdienst.“
Auszug aus dem WAZ-Leserbrief vom 8. Juli 21, Heinz Schwarz

Zur gleichen Zeiten zischen zwei weitere E-Scooter mit je zwei Heranwachsenden besetzt vom Rundhöfchen aus in den HKP. Das war für die Passanten eine extrem gefährdende Situation.

Lagebeschreibung City

E-Scooter sind schon länger ein Problem in der City. Das liegt daran, dass sie durch die Fußgänger-Zonen der City, sowie über Gehwege fahren, und dabei meist mit viel zu hohem Tempo unterwegs sind. Anders als bei Radfahrenden, für die das Fahren in den Fußgänger-Zonen frei gegeben ist, hilft hier auch nicht das Fahren mit reduzierter Geschwindigkeit. Das Fahren mit E-Scootern ist hier schlichtweg grundsätzlich nicht erlaubt.

Die Beschreibungen von Betroffenen aus Essen, wie sie in den Leserkommentaren zum WAZ-Artikel „Polizei sieht E-Scooter mit Sorge: Sie machen nur Probleme“ haben für die aktuelle Situation in Gelsenkirchen auch heute noch ihre Gültigkeit. Auffällig ist allerdings, dass die WAZ die Polizei in GE gar nicht gefragt zu haben scheint. Allenfalls aus der Verwaltung lässt die WAZ über Parkprobleme berichten, um „aus Sicht der Gelsenkirchener Verwaltung einer umfangreichen Steuerung“ zuzuführen, „damit die Leihroller keine Verkehrsbehinderung darstellen“, weshalb sich „zum Beispiel Parkverbotszonen definieren“ ließen oder „Parkanzreizzonen“ angedacht werden.

Fahrverbote in Fußgängerzonen und auf Gehwegen

Grundsätzlich gilt, dass die E-Scooter auf dem Radweg oder der Fahrbahn fahren müssen. Für die E-Scooter Freigabe zum Befahren von Plätzen oder Gehwegen bedarf es eines besonderen „E-Scooter-frei“-Schildes, dass es jedoch in GE an einem der untersuchten Orte nicht gibt:


Nur mit diesem Schild wäre das Befahren zulässig!

Die Ausleihenden und ihr Fahrstil

Wie in den Leserkommentaren mehrfach beschrieben ist, „heizen“, „brettern“ oder „stochen“ die E-Scooter rücksichtslos über die Wege . so auch in GE über den HKP. Ein Wunder, dass da noch nicht viel mehr passiert ist. Das liegt wohl daran, dass die Passanten vor einer Kollision ausgewichen sich, was ein Leser für sich ablehnt: „Und, nein, ich mache keinen Platz mehr!“ Kein Wunder, denn es handelt sich meist um „junge Leute, die aus Spaß, gerne zu zweit, mit diesen Dingern durch die Gegend heizen“.

Ein Beispiel aus der GE-Praxis mit Hinweis auf Überforderung der Polizei in Sachen E-Scooter.

Als ich in der Georgstraße vor einiger Zeit einen ca. Acht-, und einen ca. Zehnjährigen zusammen auf einem E-Scooter auf Höhe der Synagoge an dort postierten Polizisten vorbeifahren sah, rief dieser ihnen zu, sie mögen anhalten und absteigen. Nach mehreren Versuchen klappte das Unterfangen auch. Die beiden Jungen stiegen ab. Die Ressourcen des Polizeibeamten waren danach wohl so erschöpft, dass er keine Kraft mehr hatte, sie auch noch zu fragen, wie alt sie eigentlich seien, um danach die entsprechend weiteren Maßnahmen, z.B. den Einzugs des E-Rollers und eine weitere notwendige Aufklärung (inkl. der Eltern) der allgemeinen Unzulässigkeit ihres Handelns zu ergreifen. Was Polizei halt normalerweise so machen würde, wenn ein Kind mit einem Elektrokleinstfahrzeug unterwegs ist, ohne das entsprechende Alter und die notwendige Reife zu haben. Die Lage ist mittlerweile in GE so, wie es Oliver Malchow von der Polizeigewerkschaft reklamierte: Dass „die Polizei außer Stande ist, auch rollenden E-Verkehr auf Bürgersteigen zu moderieren und zu kontrollieren“. Geschweige denn zum sachgemäßen Gebrauch – vermittels Kontrollen – nachzugehen um so nachhaltig zu erziehen.

Einbahnstraßenregelung und GE-Verwaltung

Zugegebenermaßen ist ein regelkonformes Verhalten nicht leicht, wenn selbst die Stadt Gelsenkirchen in ihrem Flyer nicht adäquat aufklärt. Zum Beispiel beim Thema Einbahnstraßen und Freigabe für Radfahrer und EKf-Roller heißt es seitens der Stadt GE:

„Die E-Tretroller dürfen hier NICHT fahren:
– entgegen der Fahrtrichtung in Einbahnstraßen; auch wenn diese für den Radverkehr freigegeben sind.

In der ADAC-Info heißt es zur Einbahnstraßenregelung jedoch:

„Bei Verbot der Einfahrt (Zeichen 267) bei Einbahnstraßen gilt das Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ (Zeichen 1022-10) auch für Elektrokleinstfahrzeuge.“ – also E-Scooter.

Das BMVI gibt dem ADAC recht: „Bei einer Freigabe der Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrende mit dem Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ gilt dies auch für Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV.“

Die Gelsenkirchener Falschinformation bei der Einbahnstraßenregelung scheint auf einem Missverständnis der zugrundeliegenden Verordnung (eKFV) zu beruhen, die in § 12 nur den einen Fall, aber nicht den anderen – mit Radfrei-Schild – regelt:

„(3) Ist ein Verbot für den Radverkehr (Zeichen 254 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) angeordnet, so gilt dies auch für Elektrokleinstfahrzeuge.“

Fazit: Die Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung mit einem Rad frei-Schild auch für EKf-Roller folgt rechtlich gesehen aus einem juristischen Umkehrschluss. Da ist schon eine juristische Kraftanstrengung nötig, die man Verwaltung nicht zwingend abverlangen kann – zumindest in Gelsenkirchen nicht. Also: Überforderung mit den E-Scooter-Fahrenden nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Verwaltung der Stadt Gelsenkirchen.

Mein Kommentar

Wenn nicht bald präventiv seitens der Verantwortlichen eingeschritten wird, wofür eine Polizeipräsidentin als Erste Polizistin in der Stadt zuständig wäre, werden wir eine vergleichbare Zustandsbeschreibung wie in Köln bald auch in Gelsenkirchen feststellen: „Hauptkommissar Andreas Hetzert erlebt häufig, dass Scooter-Fahrer Fehler nicht einsehen.“ Wer Regeln nicht rechtzeitig einfordert, darf sich am Ende über das durch Laissez-faire mitverursachte Chaos nicht wundern.

Weitere Infos

Polizei NRW

ADAC

Verschärfte Kontrollen in Köln ab Juli 2021

BMVI

Fahrradstaffel verteilt Knöllchen an Radfahrer am HKP

Gelsenkirchen/HKP. Aufgrund eines aktuellen Berichts eines Bekannten über das Zusammentreffen mit einer Polizeibeamtin aus der von Polizeipräsidentin Britta Zur im Mai/Juni vorgestellten neuen Fahrradstaffel „Erna 41“ am Heinrich-König-Platz (HKP), möchte ich, wegen der mit dem Einzelfall verbundenen Fragwürdigkeit hinsichtlich der Allgemeingültigkeit des Vorgehens, auf die Situation rund um den HKP insgesamt eingehen. In diesem Teil I bezogen auf die Radfahrenden. In einem Teil II bezogen auf die E-Scooter.

Der Kontakt mit einer der vier Fahrradpolizisten begann damit, dass mein Bekannter – nennen wir ihn Rentner Heinz – kurz hinter dem Sparkassengebäude von einer Fahrradpolizistin mit seinem Fahrrad angehalten wurde. Er war im Begriff in Richtung Kirchstraße weiterzufahren. Den Stopp leitete die Beamtin mit den Worten ein: „Sie wissen warum ich sie angehalten habe?“ – Nach Überprüfung der Personalien klärte die Fahrradpolizistin Heinz darüber auf, dass das Fahrradfahren verboten sei. Das würde normalerweise 15,- Euro kosten. Weil er aber Einsicht zeige, würde sie es mit einem Verwarnungsgeld von 5,- Euro bewenden lassen. Heinz zahlte, obwohl er, wie er sagte, dabei ein mulmiges Gefühl hatte. Er wollte sich aber den Verwaltungskram ersparen, den ein Streit über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens mit sich bringen würde.

Heinz hat das am 29. Juni einer interessierten Runde vorgetragen, wobei sich das Ereignis noch vor der Vorstellung der Fahrradstaffel, also wohl im Mai zugetragen habe. Jeder in der Runde brachte seine Ansicht über das angebliche Verbot des Fahrradfahrens über den HKP ein. Auch diejenigen, die selbst kein Fahrrad fahren, beteiligten sich, weil sie wahrnehmen, dass ständig Menschen mit dem Rad den HKP kreuzen. Einer brachte sogar sein Erlebnis ein, dass er einmal über die Bahnhofstraße ging und vor ihm ein Motorrad über die Bahnhofstraße fuhr. Die direkt hinter dem Motorrad hergehenden Beamten des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) schritten jedoch gegen den Motorradfahrer nicht ein.

Ingesamt herrschte in der Runde auch deswegen der Gesamteindruck vor, dass das Fahrradfahren über den HKP nicht verboten sei. Jemand entdeckte vom Cafe aus ein Schild mit Radfahren frei, an der rechten Seite der Bahnhofstraße beim Gemüsehändler. Das sei jedoch mit einer zeitlichen Befristung von 19 – 9 Uhr versehen. Im Übrigen sei es wohl für die Bahnhofstraße rechts gültig, weil das Schild, wenn es für den Weg links gelten soll ja wohl in der Mitte an dem Pfahl, wo auch das Maskenschild hängt, angebracht sein müsste. Der weiteren Anmerkung, wonach ein Verbot oder die Erlaubnis mit dem Rad über den HKP fahren zu dürfen wohl von der Beschilderung an den Zufahrtswegen zum HKP, also jeweils vom Grünweg Robert-Koch-Str., vom Rundhöfchen, von der Ahstraße, und von der Zufahrt Ebertstr. vom Rathaus her beurteilt werden müsste, um Heinz Fall zu lösen, wurde allgemein zugestimmt. Niemand wusste genau wie die Beschilderung ist, außer ein Fahrradfahrer, der immer vom Rundhöfchen in den HKP einfährt. Also ging ich los, mir die Lage im Einzelnen anschauen.

Die Lage im Einzelnen

Am Rundhöfchen: Wer mit dem Fahrrad über die Straße Am Rundhöfchen auf den HKP zufährt, erkennt auf der Höhe des Cafe Noah rechts ein Schild.

Nun, diese Beschilderung ist eindeutig. Von hier aus ist die Zufahrt zum HKP mit dem Fahrrad erlaubt.

Grünweg/Robert-Koch-Straße: Die Zufahrt über den Grünweg ist besonders. Hier steht sogar kurz bevor der HKP beginnt ein Radwege-Schild der Magistrale mit einem Pfeil, der nach geradeaus – also in den HKP hinein weist.

An der Robert-Koch-Straße (siehe Galerie unten) fängt es mit dem geteilten blauen Rad/Fußgängerwegschild an, wobei sich am Pfahl darunter seitlich das Magistraleschild in den Grünweg hinein befindet (Bild links). Weiter gehts mit dem Magistraleschild am Abzweig zum HKP hin (Bild mitte), und findet seine Bestärkung im dritten Schild mit einem Geradeaus-Pfeil (Bild rechts), der für Eingeweihte die gar nicht so geheime Info enthält: „Zur Bestätigung der Routenführung auf der Strecke kommen quadratische Zwischenwegweiser mit Fahrradsymbol und Richtungspfeil zum Einsatz.“

Wer sich mit einer solchen Beschilderung auskennt, weiß also, dass er hier geradeaus weiterfahren muss bis das nächste Schild kommt. Also geht es mit dem Rad über den HKP. Man lässt dabei die Bahnhofstraße rechts liegen (kl. Bild unten), und fährt hinter der Sparkasse an der Commerzbank entlang geradeaus zur Kirchstraße, wo sich an der Volksbank direkt das nächste Magistrale-Schild findet.


Der Weg der Magistrale (oben) geradeaus bis zum nächsten Magistrale-Schild an der Kirchstraße.
Entsprechend gibt es hier keine zeitliche Fahrradfahrbeschränkung von 19 – 9 Uhr wie rechts zur Bahnhofstraße (Kleines Bild).

Von der Ebertstraße kommend: Hier ist die Beschilderung Ecke Robert-Kochstr, sowie auf der Ebertstraße direkt eindeutig. Radfahren „frei“ auf dem HKP, ist die eindeutige Botschaft auf dem Schild (unten rechts im Bild).

Fazit

„Für den Inhalt und den Umfang der Verkehrssicherungspflicht von besonderer Bedeutung ist der Zweck, zu dem die Verkehrsfläche im Rahmen der Widmung zur Benutzung zur Verfügung gestellt ist. Dieser ergibt sich nicht allein aus der Beschilderung einer Straße mit Verkehrszeichen, sondern auch aus den äußerlich erkennbaren Merkmalen des Weges unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung.“, heißt es in den Rahmenbedingungen – HBR NRW – von 2017 in Kapitel 5, Seite 1.

Die Beschilderung pro Radfahren über die Plätze besteht. Eine allgemeine Verkehrsauffassung, die sich im ständigen Befahren der Plätze HKP und Neumarkt – vom HKP aus links Richtung Kirchstraße – mit dem Rad ausdrückt, liegt auch vor. Wenn die Polizei hier eine andere Auffassung vertritt, sollte sie das mit dem Pflichtigen für die Verkehrssicherung – dem Straßenbaulastträger – besprechen, und gegebenenfalls für eine andere Beschilderung am Mast an der Sparkasse sorgen. Bei der bestehenden Lage einfach Verwarn- und/oder Bußgelder auszusprechen, ist erklärtermaßen bei der bestehenden Lage nicht zielführend, weil nicht bürgerfreundliches Handeln, das zu Unrecht den präventiv verantwortlichen Verkehrssicherungspflichtigen ausklammert und durch repressives Obrigkeitshandeln ersetzt. Damit macht sich die Polizei, und auch die Polizeipräsidentin als Co-Vorsitzende des Präventionsrates in der Stadt Gelsenkirchen, sicher keine Freunde. Das tut im Übrigen auch der Fahrradstaffel „Erna 41“ der Polizei nicht gut, und versetzt die Kollegen in einen schlechten Ruf gegenüber der Stadtgesellschaft.

Aussicht

Die Lage auf dem HKP/Neumarkt ist für E-Scooter-Fahrende, die ständig über die Plätze rauschen, noch einmal anders, weil die Regeln für Radfahrende für sie nur beschränkt oder gar nicht gelten. Hierzu verweise ich auf meinem Artikel „E-Scooter in der City am HKP“.

Protokoll zum „Bericht über die Vorkommnisse rund um den HKP“

Gelsenkirchen-City. Anlässlich der Vorkommnisse rund um den Heinrich-König-Platz (HKP) hat die CDU einen Tagesordnungspunkt zur Sitzung des Ordnungsausschusses am 15. Juni 2021 beantragt. Der Hauptbetroffene Buchhändler Dirk Niewöhner wurde angehört.

Da die Stadt Gelsenkirchen seit geraumer Zeit nicht in der Lage ist zeitnah Protokolle über Sitzungen von Gremien fertigzustellen, habe ich den Tagesordnungspunkt in seinem Verlauf während der Sitzung protokolliert. Bei diesem Sitzungsprotokoll sind, wie stets bei Protokollen, nur die wesentlichen Aussagen wiedergegeben. Abweichungen von eigenen Wahrnehmungen der Teilnehmenden werden bei einer vorliegend nicht erfolgten „Wort für Wort-Protokollierung“ billigend in Kauf genommen, da dem Protokollführer – anders als bei der amtlichen Protokollierung durch die Stadt Gelsenkirchen – eine Tonbandaufnahme nicht zur Verfügung steht.

Die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten zum HKP ist verlinkt.

Rats-TV und falsche Treue

Gelsenkirchen/Münster. Im Anschluss an den Ratsbeschluss gegen die Einführung des Rats-TV in Gelsenkirchen – trotz im Vorfeld gleichartiger Anträge, die unisono in Richtung pro Rats-TV wiesen – wurde in der Folge mit dem vermeintlichen Aus verschiedentlich „abgerechnet“. Angesichts dessen, und der Tatsache, dass es seitens der Opposition offenbar immer noch die Möglichkeit gibt gegen den Beschluss rechtlich vorzugehen, wird hier kurz darüber berichtet, was es damit auf sich hat.

Der Ratsbeschluss und die Geschäftsgrundlage der Ratshalbierung

In einer Pressemitteilung der GRÜNEN-Fraktion vom 26. März 21 heißt es seitens der Co-Fraktionsvorsitzenden Adrianna Gorczyk:

„Damals hatte man sich aber einvernehmlich, also auch mit der Zustimmung der AfD, darauf geeinigt, die Besetzung der Stadtverordneten zu halbieren und damit auch in Kauf genommen, dass er dieselben Beschlusskompetenzen hat wie die Runde gestern. Auf diese Vereinbarung muss auch dann Verlass sein, wenn das Ergebnis nicht gefällt.

Diese Haltung klingt löblich. Sie verkennt jedoch, dass die Vereinbarung zur reduzierten Besetzung des Rates um die Hälfte in Corona-Zeiten ein rechtlicher Rahmen zugrunde liegt, der die Geschäftsgrundlage bildet, was relevant wird, wenn gegen sie verstoßen wird. Wenn – wie vorliegend – die Mehrheitsfraktionen diesen Umstand ausnutzen, um mit falschen Reden im Vorfeld den Eindruck zu erwecken, man würde sich an die übereinstimmende Haltung pro Rats-TV halten, liegt ein Verstoß gegen die Geschäftsgrundlage vor. Diese besagt, dass die Absprache zur Reduzierung des Rates pragmatisch zu erfolgen hat.

NRW-Erlass Erlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales – „Kommunalverfassungsrechtliche Fragestellungen: Hinweise zu aktuellen Verfahren und Vorgehensweisen im weiteren Verlauf der Coronavirus-Epidemie“ vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 11. Januar 2021

c) Handlungsoptionen für Präsenz-Sitzungen in Abhängigkeit von der örtlichen Infektionslage nach Durchführung der konstituierenden Sitzung Ort können – abhängig von der jeweiligen örtlichen Infektionslage – pragmatische und zwischen den Fraktionen, Gruppen und Einzelmandatsträgerinnen bzw. Einzelmandatsträgern sowie Verwaltungen einvernehmlich getroffene Absprachen im Zusammenhang mit Präsenz-Sitzungen wie beispielsweise 1. Durchführung von Präsenz-Sitzungen und Abstimmungen im Prinzip einer„Soll-Stärken-Vereinbarung“. (S. 9)


https://www.mhkbg.nrw/sites/default/files/media/document/file/2021-01-11-MHKBG-2_Erlass_Sitzungsdurchfuehrung.pdf

Die Vereinbarung zur Reduzierung des Rates war nur auf dieser Grundlage abgeschlossen worden. Die Pragmatik hier war offensichtlich, dass man sich auf die Einführung von Rats-TV verständigt hatte. Hiergegen wurde verstoßen. Die Geschäftsgrundlage ist damit entfallen. Es wäre auch nicht zur Abstimmung gekommen, wenn in den Reden ein anderer Ausgang contra Rats-TV geäußert worden wäre. Man hätte als Antwort darauf den Rat beschlussunfähig machen können.

Exkurs: Einen Verstoß gegen eine vergleichbare Pairing-Vereinbarung hatte die SPD einst im NRW-Landtag vorgenommen als sie bei der Abstimmung um die WEST-LB sich nicht an das vorher Verabredete hielt, und damit den Koalitionspartner GRÜNE damals in arge Probleme brachte, den sie vorher nicht eingeweiht hatte.

Da für das Ergebnis gegen das Rats-TV einzig und allein die Bedenkenträger in der GroKo verantwortlich sind, denen man die Sitzplätze zur Abstimmung angeboten hat, wäre ein Rat in Vollbesetzung zu dem im Vorfeld versprochenen Ergebnis pro Rats-TV gekommen.

Fairness und Treupflicht

Aufgrund der Tatsache, dass die Reduzierung des Rates eine pragmatische Fairnessvereinbarung zur Geschäftsgrundlage hat, muss das Versprochene am Ende bei der Abstimmung auch herauskommen. Das resultiert aus dem Sinn der Vereinbarung, dass nur fair gehandelt wird, und nicht am Ende eine Überraschungsentscheidung zu Buche schlägt. Das gebietet der kommunalverfassungsrechtliche Rahmen der dem rechtsstaatlichen Demokratieprinzip entspringt, der unter anderem in dem Grundsatz der Gemeindeordnung Eingang gefunden hat, die lautet:

„Inhaber eines Ehrenamts haben eine besondere Treupflicht gegenüber der Gemeinde.“

Die im Vorfeld der Abstimmung einheitlich pro Rats-TV bekannten Anträge und Reden verpflichteten die Fraktionen, die in diesem Sinne abstimmenden Mandatsträgern abstimmen zu lassen, bzw. verpflichteten die Abstimmenden zur Treue gegenüber Gemeinde und Fraktionsziel.

Keineswegs verpflichten sie aber die Gebeutelten und hinters Licht Geführten auf Seiten der Opposition, an einer Vereinbarung mithilfe derer sie getäuscht wurden in falsch verstandener Treupflicht festzuhalten, statt dem Beschluss bei der Oberbürgermeisterin und der Bezirksregierung als Formell Rechtswidrig und damit nichtig, zu widersprechen. Ein derartiger Treupflichtverstoß kann aus Sicht eines objektiven Dritten keinen Anspruch auf Geltung in der Rechtsordnung beanspruchen. Das sagt einem auch der Gesunde Menschenverstand.

Rechtliches Fazit

Im Anschluss an eine nachvollziehbare Ansicht in der Rechtswissenschaft ist der Widerspruch gegen einen rechtswidrigen und nichtigen Ratsbeschluss mit einer Frist ab Erscheinen des Protokolls möglich. Da das Protokoll noch nicht veröffentlicht ist, wäre die Frist noch nicht angelaufen. Dass die verantwortliche Oberbürgermeisterin einen solchen Beschluss, der gegen geltendes Recht verstößt, von sich aus zu „beanstanden hat“ und dies bisher nicht getan hat, ist nicht nur ein politischer Schaden fürs Amt und ein menschliches Armutszeugnis, sondern rechtfertigt die sofortige Einschaltung der Aufsichtsbehörde der Bezirksregierung Münster durch die Opposition.

Gesellschaftliches Fazit

Sollte das alles, was als rechtlich möglich beschrieben wurde, nicht geschehen, so ist der Vertrauensverlust gegenüber der Öffentlichkeit, der in den letzten Jahren durch vergleichbares Handeln der Mehrheitsfraktion der SPD (z.B. die überraschende Schließung des Aufklärungsausschuss zum Jugendamtskandal (AFJH), sowie die über Monate fehlenden Protokolle zu Ratssitzungen etc. pp.) eingetreten ist, auch durch das möglicherweise doch noch irgendwie später eingeführte Rats-TV, kaum wieder gut zu machen.

Im Gegenteil: Der Vertrauensverlust in eine praktizierte kommunale Demokratie, die sich an Verfahrensregeln hält und der Opposition mit Recht den ihr gebührenden Raum gibt, sollte mit alldem weiter angestiegen sein. Etwas anderes, nämlich eine funktionierende Demokratie, ist kaum vorstellbar da die Opposition derart zaudert, was ihre Rechtsposition angeht. Ja sogar unterwürfig gegenüber einem übermächtigen Gegenüber im Dualismus aus Mehrheitsfraktion und Verwaltung auftritt, und wie hier dargelegt, das in Untreue, mit Lug und Trug Hervorgebrachte des politischen Gegners derart naiv verteidigt.